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Medizin & Forschung

Wirksame Antikörper gegen HIV entdeckt

US-Forscher isolieren Antikörper, die HIV im Labor ausschalten können. Ein Durchbruch?

Patient Nr. 45 führte auf die Spur: US-Forscher haben Antikörper isoliert, die HIV im Labor unschädlich machen können. Ein Durchbruch?

Neu entstandene HIV-Viren (grün) lösen sich aus einer Lymphozyte. Bild: CDC

Zahlreiche Medien, darunter Spiegel online, berichten heute von der Entdeckung neuer Antikörper gegen HIV. Die Antikörper seien hoch wirksam und könnten im Labor 90 Prozent der HIV-Viren stoppen. Zugrunde liegt den Meldungen der Bericht einer Forschergruppe vom National Institute of Health in Bethesda, USA, im Magazin Science.

Was haben diese Meldungen zu bedeuten? Wird es dank dieser Antikörper bald eine Heilung oder eine Impfung gegen HIV geben?

Die Antwortet lautet: nein. In den nächsten Jahren wird sich aufgrund dieser Forschungsergebnisse in der Behandlung von HIV-Infektionen nichts ändern. Der Forschergruppe um den Wissenschaftler Xueling Wu ist aber ein wichtiger Schritt in der Grundlagenforschung gelungen.

Jeder HIV-Infizierte produziert Antikörper. Die meisten dieser Antikörper können das HIV-Virus aber nicht ausschalten. Hinzu kommt, dass das Virus sich ständig verändert („mutiert“) und so den Angriffen des Immunsystems ausweicht. Antikörper passen deswegen immer nur auf einige Varianten von HIV.

Es gibt aber auch Antikörper, die HIV neutralisieren können. Die Forscher um Wu haben nun gezielt nach solchen Antikörpern gesucht, und zwar nach Varianten, denen HIV nicht so leicht ausweichen kann.

Das funktioniert so: Das Virus weist durchaus Stellen auf, die kaum veränderbar sind. Dazu gehört ein Bereich auf der Virusoberfläche, mit dem HIV an menschliche Zellen andockt, um in sie einzudringen, der CD4-Rezeptor. Dieser Rezeptor lässt sich mit dem Enterhaken eines Piratenschiffes vergleichen: Er sieht immer ziemlich ähnlich aus – während die Schiffe sehr unterschiedlich daher kommen können, um sich zu tarnen (als Frachter, Jacht, Fischerboot).

Wu und Kollegen haben nun Antikörper von einem Patienten („Nr. 45“) isoliert, die diesen Enterhaken bei mehr als 90 Prozent aller HIV-Viren unschädlich machen können. Und mehr noch: Sie haben es geschafft, aus Abermillionen von Immunzellen dieses Patienten einige wenige zu isolieren, die diese Antikörper produzieren.

Was ist mit diesen Erkenntnissen erreicht? Bisher gelingt es nur im Labor, die Antikörper gezielt zum Einsatz zu bringen. Man müsste nun eine Impfung entwickeln, die B-Zellen anregt, genau diese Antikörper zu erzeugen. Ob das funktioniert, ist fraglich und auf jeden Fall wäre es bis dorthin noch ein weiter Weg. Ob eine solche Impfung wirklich vor einer Infektion schützt, müsste man dann in einem mehrjährigen Versuch mit Tausenden von Impflingen testen.

Vielleicht können die Erkenntnisse aber auch dazu dienen, Medikamente zu entwickeln, um die HIV-Infektion zu bekämpfen. Solche Medikamente auf Antikörperbasis sind zum Beispiel in der Krebstherapie bereits im Einsatz.

Allerdings: Bei Patient Nr. 45 haben die Antikörper auch nicht dazu geführt, dass er HIV losgeworden ist.

(Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe)