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LGBT-Flüchtlinge im Libanon: Was Proud Lebanon leisten kann – für Refugees und Einheimische

„Ich bewundere ihren Mut“, sagt Bertho Makso von Proud Lebanon und meint schwule Flüchtlinge, die insbesondere aus Syrien, aber auch Palästina, dem Sudan und Irak in den Libanon geflüchtet sind.

„Ich bewundere ihren Mut“, sagt Bertho Makso von Proud Lebanon und meint LGBT-Flüchtlinge, die insbesondere aus Syrien, aber auch Palästina, dem Sudan und Irak in den Libanon geflüchtet sind. (Den ersten Teil unserer Libanon-Reportage findet ihr hier.)

„Viele von ihnen sind sprichwörtlich durch die Hölle gegangen und zum Teil schwer verletzt. Ihr Körper ist von Kopf bis Fuß mit Hämatomen übersät – unübersehbare Spuren unerträglicher Folter. „Man hatte sie an ihren Händen an einem Dach aufgehängt und dort stundenlang baumeln lassen“. Der Flüchtlingsstrom bringt Proud Lebanon nicht nur an den Rand der Leistungsfähigkeit, sondern bereitet auch Probleme mit der LGBT-Community im eigenen Land.

„Vielen der Flüchtlingen fehlt es an elementarsten Dingen und sie benötigen deshalb Hilfe“, erklärt Bertho. „Vielen Libanesen ergeht es allerdings nicht viel anders. Wir haben immer wieder Fälle von obdachlosen Schwulen, die von ihrer Familie aus dem Haus geworfen wurden, die alles verloren haben: den Arbeitsplatz, ihre Wohnung, die Unterstützung durch die Familie, und wir wissen nicht, wo wir diese Menschen unterbringen sollen.“

Bertho fürchtet, dass die Stimmung innerhalb der queeren Szene Libanons umschlagen könnte – und zwar aus recht überraschenden Gründen. Da ist zum einen der Neid, dass die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit sich ganz auf das Schicksal der Refugees richtet.

Doch während Flüchtlinge immerhin  noch die Möglichkeit haben, sich hilfesuchend an die verschiedenen internatonalen NGOs im Land zu wenden, können libanesische LGBT kaum auf Hilfe und Unterstützung hoffen. Und während die Flüchtlinge den Libanon in der Regel nur als Zwischenstation für ihren Weg nach Kanada, Europa oder Australien sehen, in Länder, wo es mit den LGBT-Rechten allemal besser bestellt ist, bleiben die libanesischen Lesben und Schwulen zurück – ohne Chance auf ein besseres Leben.

Aber auch weil viele schwule Flüchtlinge sich mit Sexarbeit durchschlagen ­– (Bertho benutzt dafür den Begriff „surviver sex“, also Sex zum Überleben) –fürchten manche um das öffentliche Ansehen der Homosexuellen. Ressentiments und Vorurteile machen sich in der Szene breit.

ProudLebanon-Plakat
Flyer von Proud Lebanon.

Bei Proud Lebanon will man dagegen angehen, indem man versucht, Flüchtlinge in die Community zu integrieren, sodass sich vor beide Seiten gegenseitig kennenlernen und ihre Vorurteile abbauen können. „Wir unterscheiden nicht zwischen Flüchtlingen und Einheimischen. Alle haben die gleichen Bedürfnisse und Nöte, und dafür fühlen wir uns verantwortlich“, ist Bertho wichtig zu betonen.

Dazu gehören nicht nur HIV- und STI-Tests, sondern auch Kunst- und Theaterworkshops, in denen sich Flüchtlinge mit ihren Traumata auseinandersetzen können. Man versucht ihnen auch eine beruflich Perspektive zu geben und bietet dazu beispielsweise neben Englischunterricht auch Schneider-, Koch- und Friseurausbildungen an.

Es sind sehr viele Baustellen, an denen das Team von Proud Lebanon derzeit arbeitet – von der Gesundheitsvorsorge bis zur Flüchtlingsbetreuung. Ohne Unterstützung aus dem Ausland wird man es nicht schaffen, gibt Bertho offenherzig zu und hofft nicht allein nur auf Spenden. „Wir sind offen für alle Angebote und Ideen“, sagt Bertho. So möchte man auch von den langjährigen Erfahrungen im Bereich der LGBT-Arbeit und HIV-Prävention profitieren, etwa durch Training und Hilfe beim Auf- und Ausbau der verschiedenen Angebote. Im Juni gab es bereits erste Kontakte beispielsweise mit der Schwulenberatung Berlin und der Deutschen AIDS-Hilfe.

Klar ist: So schnell wird sich die Lage im Krisenherd Mittleren Osten nicht entspannen; und auch die Schwulen und Lesben im Libanon beobachten mit Sorge die Entwicklungen im Nachbarland Syrien. Was, wenn der IS auch die Grenze zum Libanon durchbricht? Auszuschließen ist es nicht, zumal, wie Bertho sagt, es durchaus Menschen im Lande gibt, die mit dem Islamischen Staat sympathisieren. Sollte es soweit kommen, würde auch er den Libanon verlassen, sagt Bertho. Noch aber sieht er seine Aufgabe darin, etwas zu verändern „und das Leben für jene LGBT zu erleichtern, die im Lande leben – Flüchtlinge wie Einheimische.“

Zum ersten Teil unserer Reportage über LGBTs im Libanon

Proud Lebanon kümmert sich in Beirut derzeit um mehrere Hundert queere Flüchtlinge. Die zur Verfügung stehenden finanziellen wie personellen Ressourcen reichen dazu längst nicht mehr aus. Deshalb sind dringend Spenden nötig. Dazu wurde eine Crowdfonding-Plattform eingerichet. https://life.indiegogo.com/fundraisers/1313819

Auch kleine Beträge helfen!

Bühne-Website
„Together we are stronger“: Proud Lebonon engagiert sich für Schwule, Lesben, Trans* aus dem eigenen Land und für LGBT-Flüchtlinge ein. (Detail von der Website http://www.proudlebanon.org)

Von Axel Schock

Freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.