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Kultur & Szene

Ein Paar wie im Märchen

Patti Smith hat ein Buch über ihre Freundschaft mit dem schwulen Fotografen Robert Mapplethorpe geschrieben.

Die Sängerin Patti Smith hat dem schwulen Fotografen Robert Mapplethorpe und sich selbst ein Denkmal gesetzt: Ihr Buch „Just Kids“ ist die wunderschöne Geschichte einer Freundschaft ohne Ende.

Jung und schön: Patti und Robert

Patti Smith entdeckte ihren besten Freund im Bett eines Hinterzimmers in New York, „gehüllt in Sonnenlicht“.  Die angehende Dichterin wollte Freunde besuchen, die vergessen hatten, ihr mitzuteilen, dass sie die Stadt am Hudson wenige Tage zuvor für immer verlassen hatten. Der junge Hausbesetzer Robert Mapplethorpe schlief „und träumte wohl, jedenfalls sah er so aus: wunderschön.“

Als er aufwachte, wurden die Poetin und der angehende Künstler schnell beste Freunde. Ihre Tage verbrachten sie damit, im Central Park herumzusitzen, Betrachtungen über die Welt, New York und sich selbst anzustellen und sich von Touristen fotografieren zu lassen, die Ende der 60er auf der Suche nach „der Bohème“ waren. Und damit, auf den Ruhm zu warten.

Der sollte beide schneller ereilen, als sie ahnen konnten. Patti Smith, die ein großer Bob-Dylan-Fan ist, wird mit ihrem Album „Horses“ Anfang der 1970er zum widerwilligen Aushängeschild einer neuen feministischen Singer/Songwriter-Generation. Robert Mapplethorpe wird zu einem der ganz großen Stars der internationalen Fotografie, beginnend mit dem Cover zum Album, dann mit seinen verstörenden SM-Aufnahmen und Männerakten.

1989 stirbt Robert Mapplethorpe an den Folgen von Aids. Das letzte, was Patti Smith von ihm hört, ist sein schwergehender Atem, der ihr per Ferngespräch sagt: „Es ist vorbei, bald. Morgen. Geh schlafen.“

Der Tod des Fotografen ist der Anfang des Buches, das Smith jetzt über ihre Freundschaft geschrieben hat: „Just Kids“. Mehr will Smith darüber allerdings nicht erzählen. „Just Kids“ ist als Rückblick geschrieben und erzählt von den Anfängen, von seinem wie von ihrem.

Das Buch ist eine Erzählung über verlorene und wiedergewonnene Unschuld, über die verschiedenen Stadien einer Freundschaft, die so stabil ist, dass selbst der Tod ihr nichts anhaben kann. Und irgendwie auch darüber, dass einen nur die wirklich kennen können, die wissen, welche Träume man hatte, als man jung war und wie das aussah, wenn man sie träumte.

Smith erinnert sich daran, dass sie versucht hat, ihre Unschuld zu behalten, auch als sie betrunken zwischen Jimi Hendrix und Janis Joplin in einer Bar saß. Sie erzählt, wie Mapplethorpe nichts weiter wollte, als seine Unschuld an Andy Warhol zu verschleudern, um genau zu werden, wie der bewunderte Meister. Sie rekapituliert ihr Entsetzen über seine ersten Männerfotografien genauso wie seinen Neid auf ihr „Star-Sein“.

Und sie bekennt, selber nicht genau gewusst zu haben, wie sie aussah, bevor er sie nicht gesehen und fotografiert hatte: herb, maskuliner Touch, unfassbar aufregend.      

„Just Kids“ ist die Legende von Patti und Robert, auch stilistisch. Wo Smith als Songwriterin oft zu einem moralinsauren Metaphernreichtum neigt, zelebriert sie im Buch die Emotion mit großen, simplen Worten. Das liest sich streckenweise wie ein großes Märchen über die Hippiegeneration, ohne dabei weniger grausam oder genau zu sein als eine Grimmsche Parabel über Königinnen, die sich in glühenden Schuhen zu Tode tanzen müssen.

Bei all dem gibt die Autorin offen zu, dass ihr an Verklärung mindestens so gelegen ist wie an Erklärung. Die beiden Wunderkinder gehen durch ihr gemeinsames Leben ohne einen Gedanken an sein Ende und der Leser folgt ihnen mit gespitzten Ohren und mit Tränen in den Augen.

Weil die beiden so schön sind und so wahr und weil sich jeder, der je in der Sonne schlafend geträumt hat, ein bisschen in ihnen findet und in ihnen verloren gehen kann.

Darf man das, so an seinem eigenen Mythos arbeiten, wie Smith das in „Just Kids“ tut? Wenn man es so gut macht wie sie, dann ganz sicher!

(Paul Schulz)

 

Patti Smith: „Just Kids“, Kiepenheuer &Witsch, 304 Seiten, 19,95 Euro

Eine große Ausstellung mit Fotos von Robert Mappelthorpe läuft noch bis zum 15. August im NRW-Forum Kultur und Wirtschaft, Düsseldorf 

Patti Smith spielt am 4. Juli in Bonn (Kunst- und Ausstellungshalle) und am 5. Juli in Berlin (Zitadelle Spandau)