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Politik & Gesellschaft

AIDS-Konferenz: Schwule verschaffen sich Gehör

Tausende für Menschen-rechte auf der Straße. Homophobie verschlimmert in vielen Ländern die HIV-Epidemie.

Beim Wiener AIDS-Kongress demonstrieren Tausende für Menschenrechte, denn Ausgrenzung verschlimmert die HIV-Epidemie. Die Situation von Schwulen ist in vielen Ländern katastrophal. Das war Thema einer Vorkonferenz mit dem Motto: „Be heard!“

Menschenrechte – ein großes Wort. Gestern wurde das Leitthema der 18. Internationalen AIDS-Konferenz konkret. Tausende Menschen zogen als „Marsch für Menschenrechte“ durch die Wiener Innenstadt.

„Es war eine ausgelassener Protestzug und ein unübersehbares Zeichen der Solidarität von und mit Menschen mit HIV“, schreibt Werner Bock, Blogger der Deutschen AIDS-Hilfe, in seinem täglichen Wienbericht. Den Höhepunkt bildete am Abend der Auftritt von Annie Lennox. Die Sängerin ist seit vielen Jahren HIV/Aids-Aktivistin – seit kurzem als UN-Botschafterin.

Die Demonstration setzte kraftvolles Ausrufungszeichen hinter das Konferenzmotto „Rights here, right now“ („Rechte hier und jetzt“). Denn Diskriminierung und Stigmatisierung verhindern, dass von HIV bedrohte Menschen Informationen über Infektionsrisiken bekommen und dass HIV-Infizierte sich behandeln lassen können (siehe auch Blogbeitrag von gestern).

„Bei der Abschlusskundgebung wurden endlich mal ALLE von HIV bedrohten und betroffenen Gruppen ausführlich mit einbezogen“, sagt Matthias Kuske, Kampagnenmanager von ICH WEISS WAS ICH TU, der in Wien mit dabei ist. „Das war sehr, sehr beeindruckend!“

Und nötig: In vielen Ländern ist zum Beispiel noch lange nicht anerkannt, dass sich Infektionen beim Sex unter Männern nur verhindern lassen, wenn man aufhört, die Männer auszugrenzen.

Für den MSM-Referenten der Deutschen AIDS-Hilfe, Dirk Sander, kommt dieses Problem bei der 18. Internationalen AIDS-Konferenz noch viel zu wenig zur Sprache:

„Es gibt zum Beispiel in vielen afrikanischen Ländern eine massive HIV-Epidemie unter MSM. Die Männer leiden unter heftigster Diskriminierung bis hin zu schwerer Gewalt und Mord. Im Gesundheitssystem werden sie nicht als Schwule wahrgenommen und deswegen nicht ihren Bedürfnissen entsprechend behandelt und informiert. Über solche Probleme redet hier kaum jemand.“

Gestern hat Dirk Sander auf der Wiener Konferenz mit einem Arzt aus der Ukraine gesprochen. Der hat ihm erzählt, dass er in seinem Krankenhaus viele Schwule behandelt, die an den Folgen von Aids erkrankt sind. Offiziell hätten die sich aber alle beim intravenösen Drogenkonsum infiziert.

Mit anderen Worten: Die Verbreitung von HIV unter Schwulen wird in vielen Ländern unterschätzt, weil über Homosexualität nicht gesprochen werden darf. Damit wird der Nährboden für weitere Infektionen bereitet.

„Be heard!“, lautete deswegen das Motto einer Vorkonferenz am letzten Samstag, die ebenfalls in Wien stattfand. Hier ging es ausschließlich um Männer, die Sex mit Männern haben. „Be heard!“, das lässt sich wahlweise übersetzen mit „Gehör finden!“ oder „Verschaff dir Gehör!“. Im Zentrum standen die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen (LGBT).

Eine wichtige Forderung: Es soll genug Geld für die Prävention bei MSM bereit gestellt werden. Denn bisher sind sie zwar in vielen Ländern eine sehr stark betroffene Gruppe, bei der Verteilung des Geldes entfällt aber global gesehen nur ein Bruchteil auf sie.

Und das – nebenbei bemerkt – obwohl mittlerweile klar ist: Wo Prävention unter Schwulen erfolgreich ist, sinkt auch die Infektionszahl in der Allgemeinbevölkerung.

(howi)