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Leben mit HIV

Hühner und HIV

Thilo und René: positiv und glücklich auf dem Dorf. Und unterwegs für IWWIT

Thilo und René könnten es sich in ihrer kleinen Bauernkate gemütlich machen. Stattdessen reisen die beiden durch Deutschland, um andere Männer über HIV und Aids zu informieren. Warum tun sie sich das an?

Thilo und René am Tag ihrer Hochzeit

Thilo und René, warum engagiert ihr euch im Kampagnenteam von ICH WEISS WAS ICH TU?

Thilo: Die IWWIT-Kampagne ist eine gute Plattform, um die Öffentlickeit für das Thema HIV und Aids zu sensibilisieren. Wir wollen dazu beitragen, dass „saferer Sex“ praktiziert wird. Und: Vielleicht hilft es auch, immer noch schlummernde Ängste im Umgang mit Positiven zu verringern.

René: Mir geht es thematisch nicht um Safer Sex, sondern um Eigenverantwortung. Als ich 1992 erfahren habe, dass ich positiv bin, wusste ich nichts über HIV – bis ich den ersten anderen Positiven kennen gelernt habe. Seitdem weiß ich, wie wichtig es ist, dass Positive öffentlich auftreten.

Wo ist der Unterschied zwischen IWWIT-Rollenmodellen wie dir, Thilo, und den „Präventionisten“ im Kampagnenteam wie dir, René?

Thilo: Die Präventionisten sind das ganze Jahr in der Szene unterwegs, um die Leute über Safer Sex zu informieren. Die Rollenmodelle stehen vor allem bei öffentlichen Diskussionsrunden auf der Bühne. Aber ich fühle mich auch als Präventionist! Der einzige Unterschied ist, dass mein Gesicht und meine Geschichte auf iwwit.de und in Anzeigen zu sehen sind. Für mich sind beide Ehrenämter ein gleichwichtiger Teil von ICH WEISS WAS ICH TU.

René: Entscheidend sind die Informationen, die wir in persönlichen Gesprächen weitergeben können. Und das tun sowohl die Rollenmodelle als auch die Präventionisten vor Ort. Wir arbeiten gemeinsam daran, dass Positive akzeptiert werden. Und wir wollen HIV-Negative für ihre Eigenverantwortung und für Safer Sex sensibilisieren.

Wie macht man das?

René: Ich war zum Beispiel schon mal in einer Diskussionsrunde zum Thema „HIV und Arbeit“. Dort habe ich unter anderem erzählt, wie es ist, wegen HIV schon in Rente zu sein. Oft wird ja gesagt, mit Tabletten liefe alles gut, die Positiven sind alle fit und vital. Bei mir trifft das leider nicht zu. Sonst würde ich die Rente sofort sausen lassen. Wir waren auch oft auf großen Veranstaltungen wie CSDs und Partys.

Was macht euch am meisten Spaß an den IWWIT-Einsätzen?

Thilo: Am schönsten ist es, wenn man in Ruhe ein persönliches Gespräch führen kann. Wenn ich das Gefühl habe, mein Gegenüber ist ehrlich interessiert, eine Antwort auf seine Frage zu bekommen.

René: Am besten gefallen mir kleine Straßenfeste, zum Beispiel bei den CSDs in Halle, Lübeck und Bielefeld. Da waren die Leute sehr aufgeschlossen. Nach der Veranstaltung kamen einige auf mich zu und wir haben uns etwas abseits – hinter unserem IWWIT-Bus – intensiv unterhalten. Ich mag keine Massenveranstaltungen. Da kann man meist nur Kondome verteilen und nachfragen „Kennste IWWIT?“.

Wissen eure Nachbarn im Dorf eigentlich, dass ihr positiv seid?

Thilo: Ja, spätestens seit wir 2009 in der Dorfkirche geheiratet haben. Der Pfarrer hat in seiner Ansprache erzählt, dass wir uns auf einem Positiventreffen im Waldschlösschen kennengelernt haben. Dass wir beide positiv sind, das weiß nun das ganze Dorf. Zumindest das halbe: Es waren wohl so 200 Gäste in der Kirche, sie war bis auf den letzten Platz gefüllt.

Ihr seid kirchlich verheiratet? Wie geht denn das?

Thilo: Wir waren erst auf dem Standesamt und danach sind wir kirchlich getraut worden. Das war eine richtige Hochzeit, nicht nur eine Alibi-Segnung. Wir sind sogar ins Traubuch der Gemeinde eingetragen worden. René ist inzwischen auch im Gemeindekirchenrat, und wir sind beide Mitglieder im örtlichen Förderverein zum Erhalt der kirchlichen Gebäude. So wollen wir auch etwas von der Unterstützung zurückgeben, die wir hier bekommen.

Würdet ihr es jedem Positiven empfehlen, so offen zu leben wie ihr?

Thilo: Im Grunde ja. Es kommt darauf an, dass du ehrlich mit den Menschen umgehst, dass man sich selbstbewusst in der Gesellschaft bewegt.

Das ist leichter gesagt als getan.

Thilo: Du musst authentisch sein. Vor allem musst du grundsätzlich akzeptiert haben, dass du positiv bist. Dass es ist, wie es ist. Dann kannst du auch authentisch auf andere Leute zugehen.

Warum seid ihr eigentlich aufs Land gezogen?

Thilo: Ich wollte schon immer ein Haus mit Garten haben. Mein erstes hatte ich noch in der Nähe von Berlin. Ich bin dort nie in der Dorfgemeinschaft angekommen – weil ich Wessi war. Aber hier war die Stimmung völlig anders. Schon nach zwei Tagen stand der Bürgermeister vor der Tür und hat sich vorgestellt.

René: Nun ja, ich bin meiner Liebe hinterher gezogen. Das Landleben ist nichts Neues für mich, denn ich bin in einer Kleinstadt im Schwarzwald groß geworden. Der Umzug hatte aber auch eine wirtschaftliche Seite: Unser Häuschen ist Eigentum, und mietfrei können mit unserer kleinen Rente besser leben.

Bald ist wieder Frühling. Worauf freut ihr euch da besonders?

Thilo: Auf das erste Blühen im Garten, wenn die Sumpfpflanzen um den Teich wieder grün werden. Und wir haben gegenüber ein Stück Land gepachtet, um dort Hühner zu züchten!

Esst ihr gerne Eier?

Thilo: Uns geht’s mehr darum, Hühnerarten zu retten, die inzwischen vom Aussterben bedroht sind, zum Beispiel Holländische Zwerghaubenhühner.

René: Die gesamte Bewohnerschaft unserer Bauernkate ist vom Aussterben bedroht! (lacht)

Thilo (46) ist Betriebsratsvorsitzender in einer Altenpflegeeinrichtung und IWWIT-Rollenmodell

René (42) ist Rentner und IWWIT-Präventionist