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„Probier es einfach aus“

Die schwule Szene ist der ideale Ort um heraus zu finden, worauf man steht. Peter und Oliver erklären, wie das geht

In der Szene Sex zu haben ist einfach, oder? Die IWWIT-Rollenmodelle Oliver und Peter und Klaus vom Frankfurter Lederclub erklären, wie man es richtig macht

Rollenmodell Peter

Schwule Männer haben fast unendliche Möglichkeiten in der Szene ihre Lust zu leben und werden darum von vielen Heterosexuellen beneidet. Gerade bei Sexpartys, in Saunen oder in Kneipen mit Darkroom kann man seinen ganz eigenen Leidenschaften in relativ sicherer, entspannter Atmosphäre nachgehen. In der Regel sind Kondome und Gleitgel vorhanden, dazu kommen Infomaterial und meistens ein engagierte Barkeeper wie IWWIT-Rollenmodell Peter.

Er arbeitet in zwei Münchner Lokalen mit Darkroom: „Bei uns ist es unkompliziert, man muss nicht lange kommunizieren, sondern kann gleich loslegen. Es ist vor allem auch sicherer als im Park: Man muss nicht mit einem Überfall rechnen oder damit, in eine Polizeikontrolle zu kommen.“ Dazu kommt der rein körperliche Schutzraum: „Du bist im Warmen, gut aufgehoben und wetterunabhängig.“

Allen Sex-Orten ist gemeinsam, dass die Kontaktaufnahme über Blicke erfolgt: viel sagendes, aufforderndes Schauen, ein Lächeln – und schon hat es geklickt. Peter bestätigt: „Großenteils funktioniert das mit Augenkontakt, manche sprechen sich an der Bar an. Dann verschwindet man im Darkroom und wartet, bis der andere nachkommt. Oder andersrum: man wartet, bis der andere in den Darkroom geht und folgt ihm. Es ist relativ unkompliziert und eher selten der Fall, dass man ein aufwändiges Flirtritual abziehen muss.“

Sicherheit ist trotzdem ein wichtiger Aspekt: „Wir achten sehr auf unsere Gäste“, sagt Peter, „wenn wir merken, dass es einem z.B. nach zu viel Alkohol nicht gut geht, versuchen wir ihn aufzupäppeln, so weit es unsere Möglichkeiten erlauben. Wenn es sein muss, rufen wir den Notarzt. Wir achten darauf, dass unsere Gäste ohne Schäden aus unseren Lokalen rauskommen.“

Wer neugierig ist, kann ganz unverbindlich reinschnuppern. Peter rät Neulingen und Neugierigen: „Geh’ einfach erst mal rein. Jede schwule Kneipe hat eine Bar, meist im vorderen, helleren Bereich, hier kannst du alles beobachten. Dann fass’ dir ein Herz und geh’ in die dunkleren Ecken. Du stehst nicht unter Beobachtung, wir achten nicht wirklich drauf, wer mit wem was macht, das bleibt jedem selbst überlassen. Und wenn du eine Frage hast, kannst du durchaus den Barkeeper fragen, wir sind alle sehr auskunftsfreudig und kommunikativ – sonst würden wir nicht hinter der Bar stehen!“

Jedem seinen Sex: Entdecke die (Fetisch-) Möglichkeiten

Viele Jungs und Männer wollen mehr als nur das alte Rein-Raus-Spiel. Bei Varianten jenseits von Blümchensex, die unter dem umgangssprachlichen Begriff „Fetisch“ zusammengefasst werden kann die Szene schnell und unproblematisch helfen. Es bieten sich ungeahnte neue Möglichkeiten: Rubber, Leder, Sneaker, Skin, Fisten, S/M.

Rollenmodell Oliver

Hier kannst du selber entdecken, was dir wirklich Spaß macht: Das können spezielle Kleidungsstile und –materialien sein wie Leder, Uniform, Rubber oder selbst Anzug und Wollpullis, Spielzeuge wie Dildos, Pumpen oder Tittenklemmen oder Sexualpraktiken wie Pissen, S/M oder Fisten. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen und egal wie ungewöhnlich die von dir bevorzugte Variante scheint, eins ist sicher: Du bist damit nicht alleine.

Zu entdecken, dass du auf weniger alltägliche oder ungewöhnliche Dinge stehst, bedeutet für manche ein weiteres Coming out, andere hingegen stellen es eher en passant fest wie Olivier, Rollenmodel bei iwwit und Mr. Rubclub 2010: „Es war für mich am Anfang ganz klar, dass ich auf Rubber stehe. Das war immer mein Bild von dem, was ich brauche und suche.“

Längst ist es einfacher, diese neuen Wünsche zu entdecken und zu leben als noch vor einigen Jahren. Klaus, Vorsitzender im Frankfurter Lederclub, sagt: „Wenn dir danach ist, kannst du inzwischen in Leder in die Oper gehen. Das Ledertreffen zu Ostern in Berlin findet mehr oder weniger auf der Straße statt und Folsom sowieso.“

Trotz dieser neuen Offenheit braucht es immer noch ein wenig Mut. Olivier fasste sich einfach ein Herz und wagte sich in die neue, unbekannte Welt: „Ich bin zwar sehr schüchtern, aber es war nicht schwierig. Ich war neugierig auf alles und wollte wissen, wie es funktioniert, wie es geht. So habe ich es einfach ausprobiert. Und es hat mir gefallen.“

Fetisch-Sex kann eine wunderbare Bereicherung sein. Aber manchmal muss man auch erst eine neue Spielart wie z.B. Pissen ausprobieren, um festzustellen, dass man vielleicht doch nicht darauf steht. Hinterher ist man vielleicht ein bisschen nass – aber eben auch schlauer. Klaus empfiehlt: „Einfach loslegen! Natürlich safer und vielleicht nicht mit dem ersten, der dir über den Weg läuft, sondern mit jemandem, dem du vertraust. Aber es bleibt dir nichts anderes übrig: Du musst irgendwann den Mut haben und es versuchen.“ Das Gute dabei: So martialisch manche Fetischleute auch aussehen, letztendlich steckt in fast jedem Fetischoutfit ein netter Kerl, der dir gern weiterhilft. Klaus sagt: „Sprich uns an beim CSD oder bei einem der Ledertreffen an, z.B. in Hamburg oder Berlin, wir beißen nicht! Die meisten sind gerne bereit, ein Gespräch zu führen und Auskunft zu geben – einfach mal fragen!“

Clemens Glade