Einsamer Wolf mit gebrochenem Herzen

Zehn Jahre nach „Yossi & Jagger“ schreibt der israelische Regisseur Eytan Fox die Soldaten-Liebesgeschichte weiter. Die Filmkritik zu "Yossi" von Axel Schock.
Mit Tom entdeckt Yossi (links: Ohad Knoller) wieder die Freude am Leben (Foto: pro-fun)

Zehn Jahre nach „Yossi & Jagger“ schreibt der israelische Regisseur Eytan Fox die Soldaten-Liebesgeschichte weiter. Er zeigt einen Mann, der nach dem Verlust des Geliebten erst wieder lernen muss, sich für die Welt zu öffnen.

Das Budget war klein, der Regisseur selbst in seiner Heimat kaum bekannt und sein Drama „Yossi & Jagger“ eigentlich nur als Fernsehfilm gedacht. Doch die tragische Liebesgeschichte zweier Soldaten machte nicht nur in Israel Furore, wo er zu einer offeneren Diskussion über Homosexualität beitrug. Sondern der Film wurde rund um den Globus zu einem Kinohit.

Von Brasilien über Japan bis Deutschland rührte Jaggers Tod die Menschen zu Tränen. Eytan Fox gelang damit der internationale Durchbruch. Dies erleichterte ihm die Finanzierung nachfolgender Projekte wie „The Bubble“ und „Walk On Water“, in denen er ebenfalls die schwule Lebenswirklichkeit mit den gesellschaftlichen Problemen seines Landes verband – von Militäreinsätzen über Bombenanschläge palästinensischer Terroristen bis hin zur Jagd auf alte Nazis.

„Yossi & Jagger“ erlangte nicht nur in Israel Kultstatus

Yossi
Toms hartnäckige Verführungsversuche haben Erfolg (Foto: pro-fun)

„Yossi & Jagger“ gilt längst als Klassiker des schwulen wie israelischen Films – und wird heute in Israel als Lehrfilm bei der Militärausbildung eingesetzt. Es überrascht also nicht, dass Eytan Fox das Schicksal seines Filmhelden Yossi nicht losgelassen hat. Seine Fortschreibung der Geschichte, in deren Fokus allein Yossi steht, ist dabei deutlich melancholischer, ruhiger, vielleicht auch reifer geworden.

Zehn Jahre, nachdem Jagger von einer Mine getötet wurde, hat Yossi Guttman (wieder gespielt vom israelischen Filmstar Ohad Knoller) dieses Trauma noch lange nicht überwunden. Ausgerechnet Kardiologe ist der Mann mit dem unheilbar gebrochenen Herzen geworden. Ein Privatleben scheint es für den Workaholic nicht zu geben. Er hat sich in seiner Einsamkeit vergraben und vermeidet aus Selbstschutz jegliche tiefer gehende Bindung.

Seine Kollegen im Krankenhaus ahnen nicht einmal von seinem Schwulsein. Unbeholfen weist er die Annäherung einer Nachtschwester ab, noch schwieriger fällt es ihm, sich den gutgemeinten Kuppelversuchen eines Hetero-Kollegen in der Disco zu entziehen. „Heute Nacht kriegst du einen Blowjob – und wenn ich es selbst machen muss“.

Ein Online-Date endet im Desaster

Die Einsamkeit steht Yossi geradezu überdeutlich ins Gesicht geschrieben, doch in seiner Trauer hat er sich bereits so lange den Menschen entzogen, dass es ihm schwerfällt, sich ihnen wieder zu öffnen. Und wenn er’s dann doch versucht, wie bei einem Online-Date, geht es auch prompt schief: Wie ein kleiner Schuljunge muss er sich zurechtweisen lassen, weil er ein altes Profilfoto geschickt hatte – aus Zeiten, da er noch etwas jünger und um einige Kilo leichter war.

Doch dann wird Yossi von seinem Chef in einen Zwangsurlaub geschickt und landet, zusammen mit einer Clique amüsierwilliger junger Offiziere, in einem Resort-Hotel samt Pools, Partys und Wellness-Angebot. Mittendrin: der gut aussehende Tom (der israelische Comedy-Star Oz Zehavi), dem es tatsächlich gelingt, Yossis emotionalen Schutzpanzer zu knacken und die Lebensfreude in ihm wieder zu erwecken. Und ganz nebenbei wird Yossi durch Tom, der gegenüber seinen Mitsoldaten ganz selbstverständlich als schwuler Mann auftritt, zudem auch bewusst, welchen gesellschaftlichen Wandel Israel durchlaufen hat. Eine Entwicklung, die er durch sein jahrelanges Abschotten nicht wahrgenommen hat.

Im Vergleich zu Eytan Fox’ früheren Kinodramen erscheint sein neuer Film geradezu kontemplativ und handlungsarm. Tatsächlich aber ist er mit geringen Mitteln, konzentrierten Dialogen und markanten (manchmal allerdings überdeutlichen) Andeutungen sehr effektiv. Der Besuch Yossis bei den Eltern seines toten Geliebten etwa, die von der Homosexualität ihres Sohnes bislang nichts ahnten, wirkt durch seine Sprachlosigkeit nachhaltig beklemmend.

Berührendes Melodram über Liebe und Verlust

Tom (Oz Zehavi) amüsiert sich am Hotelpool (Foto: pro-fun)

Dass Yossi am Hotelpool aber ausgerechnet Thomas Manns „Tod in Venedig“ liest, als Tom ihn mit Charme und Humor anbaggert, ist ein wenig dick aufgetragen. Da möchte man Yossi am liebsten das Buch aus der Hand reißen und ihn kurzerhand in den Swimmingpool werfen. Oder aber, weil Ohad Knoller die Trauer, verlorengegangene Liebesfähigkeit und den damit verbundenen Schmerz so nachfühlbar zu spielen vermag, ihn einfach mal in den Arm nehmen. Das übernimmt zuletzt dann doch Tom, und über das Lächeln, das da endlich, wenn auch zaghaft, Yossis Gesicht erstrahlen lässt, freut man sich mindestens ebenso sehr wie der junge Mann, der dafür hartnäckig geschuftet hat.

„Yossi“. Israel 2012. Regie Eytan Fox. Mit Oz Zehavi, Ohad Knoller, Orly Silbersatz Banai, Ola Schur Selektar, Lior Ashkenazi. 85 Minuten.

Trailer

„Yossi“ startet bundesweit am 24. Januar. Am 18. Januar feiert der Film in Berlin Deutschlandpremiere in Anwesenheit von Regisseur Eytan Fox und des Hauptdarstellers Oz Zehavi. Weitere Previews u. a. in Aachen, Nürnberg, Freiburg und Potsdam. Die kompletten Kinodaten finden sich auf der Internetseite des Verleihs pro-fun Media.

„Yossi & Jagger“ ist als DVD bei pro-fun Media erhältlich.

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