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In New York beginnt heute die wichtige Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Thema HIV/Aids

In New York geht es bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Thema HIV/Aids ab heute darum, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Jeder soll die HIV-Medikamente und die Prävention bekommen, die er braucht

Das UN-Gebäude in New York (Foto: Steve Cadman/WikiCommons)
Das UN-Gebäude in New York (Foto: Steve Cadman/WikiCommons)

In New York beginnt heute die wichtige Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Thema HIV/Aids. Für die Für die Deutsche AIDS-Hilfe sind Vorstandsmitglied Carsten Schatz und Geschäftsführerin Silke Klumb mit der deutschen Delegation nach New York gereist. Dort treffen sich bis zum Freitag hochrangige Vertreter der UN-Nationen unter dem Titel „UNite for Universal Access“ („Zusammen für weltweiten Zugang“).

Dazu erklärt Carsten Schatz: „In New York müssen wichtige Weichen gestellt werden. Die Weltgemeinschaft muss endlich dafür sorgen, dass alle Menschen Zugang zu Prävention, Therapie, Versorgung und Beratung haben. Wir wissen nach 30 Jahren sehr genau, wie wir HIV wirkungsvoll begegnen können. Blockaden darf die Welt nicht weiter akzeptieren.“

Weltweit haben nach Angaben von UNAIDS rund 9 Millionen Menschen, die dringend eine HIV-Therapie benötigen, keinen Zugang zu den lebensrettenden Medikamenten. In vielen Ländern auf allen Kontinenten scheitert Prävention noch immer daran, dass sich die Regierungen weigern, Homosexualität und intravenösen Drogenkonsum zu thematisieren. Das gilt vor allem für totalitäre Länder und solche, in denen es keine klare Trennung zwischen Staat und Religion gibt. Hoch wirksame Maßnahmen wie Spritzenvergabe oder Drogenkonsumräume werden nicht einmal in Erwägung gezogen.

DAH-Vorstand Carsten Schatz: „Die Welt muss in New York deutlich machen: Tabus kosten das Leben und die Gesundheit von Millionen Menschen. Auch die Strafbarkeit der HIV-Übertragung in vielen Ländern schadet der Prävention, weil sie Menschen dazu bringt, ihre Infektion zu verschweigen und die Verantwortung einseitig den HIV-Positiven zuweist. In die Abschlusserklärung der UN-Versammlung gehört ein klares Bekenntnis gegen Stigmatisierung sowie für lebensweisenakzeptierende Aufklärung und die Strategie der Risikominimierung für Drogenkonsumenten.“

Zehn Jahre nach der ersten Versammlung dieser Art wird eine neue Erklärung unterzeichnet werden, die wegweisend sein soll für den internationalen Umgang mit der HIV-Epidemie.

Auch die Vereinigung „Ärzte ohne Grenzen“ fordert von den Regierungen auf dem UN-Gipfel, die Zahl der HIV-Patienten, die eine Therapie erhalten, binnen vier Jahren um neun Millionen auszuweiten. Bisher werden nur 6,6 Millionen mit antiretroviralen Medikamenten behandelt. Eine neue Studie belegt, dass die Behandlung die HIV-Übertragungsrate um 96 Prozent reduziert und der Epidemie damit Einhalt geboten werden könnte. Dennoch gibt es starken Widerstand von einigen entscheidenden Geldgebern.

„Nach Wochen strittiger Verhandlungen geht es jetzt darum, ob sich die Regierungen auf das vorgeschlagene Ziel einigen werden, insgesamt 15 Millionen HIV-Patienten bis zum Jahr 2015 zu behandeln „, sagte Sharonann Lynch, Aids-Spezialistin der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen gestern auf einer Pressekonferenz der Organisation bei den Vereinten Nationen in New York. „Die Welt braucht ein ehrgeiziges Behandlungsziel und einen konkreten Plan, um dieses Ziel zu erreichen.“

„In den vergangenen zehn Jahren haben wir beobachtet, dass die Behandlung das Leben unserer Patienten rettet. Jetzt wissen wir, dass ganze Gemeinden geschützt werden können, denn Behandlung ist auch gleichzeitig Prävention“, sagte Dr. Tido von Schoen-Angerer, Leiter der Medikamentenkampagne, der schon im ersten HIV/Aids-Behandlungsprojekt von Ärzte ohne Grenzen in Thailand gearbeitet hat. „Man würde die Realität verkennen, wenn man aus diesen Erkenntnissen keine politischen Maßnahmen ableiten würde und damit die Chance vergäbe, Neuinfektionen durch Behandlung wirksam einzudämmen. Der Aids-Gipfel hat es in der Hand, den Verlauf der globalen Aids-Epidemie entscheidend zu ändern.“

Laut UNAIDS sind zusätzliche sechs Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2015 notwendig, um 12 Millionen Neuinfektionen und mehr als 7 Millionen Todesfälle bis zum Jahr 2020 zu verhindern. In den Jahren 2009 und 2010 sind die Mittel zur Bekämpfung von HIV/Aids allerdings zurückgegangen. Instrumente wie der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria und andere Programme verfügen über zu wenig Mittel, um der Strategie „Behandlung als Prävention“ Rechnung tragen zu können und auch sonst so viel Prävention zu betreiben wie nötig.

Ein weiteres Hindernis beim Engagement gegen HIV könnte eine Ausweitung des Patentschutzes auf Medikamente sein. „Die Regierungen müssen sicherstellen, dass Medikamente bezahlbar bleiben. Um dies zu gewährleisten, fordern wir von den westlichen Industrieländern, ihre Handelspolitik zu ändern und nicht weiter Produktion und Vertrieb von erschwinglichen Nachahmerpräparaten zu behindern“, sagt Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland.

Aktuell verhandelt die EU mit Indien über ein Freihandelsabkommen, das verheerende Folgen für die Generika-Produktion in Indien haben könnte.

Ärzte ohne Grenzen behandelt derzeit 170.000 Menschen mit HIV/Aids in 19 Ländern mit antiretroviralen Medikamenten. Mehr als 80 Prozent der antiretroviralen Arzneimitteln, die in den Projekten verwendet werden stammen von Generika-Herstellern in Indien.

(pasch)