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Politik & Gesellschaft

„Erfurt ist mein Ruhepol!“

Ausgehen ist für Rollenmodell Enrico nicht so wichtig, wenn er nach Erfurt nach Hause kommt. Seine Szene findet er in der Provinz trotzdem

Auch abseits von Großstädten gibt es schwules Leben. IWWIT-Rollenmodell Enrico erklärt, wie man als schwuler Mann in der Provinz glücklich wird

Rollenmodell Enrico
Rollenmodell Enrico

Saubere Luft, geringe Kriminalitätsrate, Milch euterwarm direkt vom Bauern: das Leben dort, wo Fuchs und Hase sich „Gute Nacht“ sagen, hat seine Vorteile. Enrico, Rollenmodel bei IWWIT, wohnt in Erfurt, einer Stadt mit rund 200.000 Einwohnern. Er sagt: „Erfurt ist super nett zum Leben, hier kann man es gut aushalten. Ich bin viel unterwegs und habe Freunde in anderen Städten, die ich besuche und da ist Erfurt in der Mitte von Deutschland ein guter Ausgangspunkt.“

Die meisten Schwulen leben in Großstädten wie Köln, Hamburg oder München. Es ist also nur logisch, dass es in kleineren Orten keine so vielfältigen Nightlife-Angebote wie z.B. in Berlin geben kann. Enrico sagt: „Generell ist es hier sehr übersichtlich, Erfurt ist zwar Landeshauptstadt von Thüringen, die Szene aber ist klein und sehr überschaubar. Ich gehe in Erfurt kaum weg, weil ich mich hier nicht wiederfinde.“

Aber Party und Ausgehen ist für ihn auch nicht so wichtig, wenn er nach Hause kommt. Enrico, der für einen internationalen Modekonzern arbeitet und viel unterwegs ist, sagt: „Erfurt ist mein Ruhepol!“ Das kann umständlich sein: „Gerade wer sexuell aktiv sein und Vorlieben und Fetische ausleben will, muss sich ins Auto setzen und woanders hinfahren. Der Rest nutzt entweder die wenigen Angebote und ist frustriert. Oder er meidet diese und organisiert eigene Privatabende mit Freunden.“

Anders als in den Großstädten kann man sich nicht auf eine kommerzielle Szene verlassen und muss selbst aktiv werden: „Es gibt vereinzelt kleine Lichtblicke, Sachen, die von Privatleuten mit viel Liebe organisiert werden. Das ist aber unregelmäßig und nichts, auf das man sich verlassen kann. Man muss sich in kleinem Kreis seine Community schaffen, die regelmäßig Dinge miteinander unternimmt.“ Sich um sein Netzwerk zu kümmern, lohnt sich.

Und wie immer und überall braucht es nur die richtige Einstellung, um auch in der Provinz glücklich zu werden: „Viele erwarten einfach zu viel und blicken neidisch in die Metropolen. Wir sollten das pflegen, was wir haben, sonst sieht es in einigen Jahren düster aus.“ Und letztlich hat das Internet schwules Leben leichter gemacht – auch in der Provinz. Enrico sagt: „Das ist ein gutes Forum. Durch das Internet ist die Welt zusammen gerückt.“

Clemens Glade