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Politik & Gesellschaft

„Verlass dich auf dein Gefühl!“

Wie findest du genau die Szene, die zu dir passt? Rollenmodell Georg und Reinhard Klenke sagen es dir.

Wie macht man das richtig, mit der Szene? Wie findet man Lust und vermeidet Frust? Wir haben zwei gefragt, die es wissen müssen, weil sie schon lange erfolgreich dabei sind: Reinhard Klenke von Herzenslust und IWWIT-Rollenmodell Georg

IWWIT-Rollenmodell Georg

„Die schwule Szene“ gibt es gar nicht – es sind ganz viele. Schwule Szene ist überall da, wo schwule Männer sich treffen: Sauna, Klappe, Lederladen, (Sex-)Party oder Rave, Café, aber auch privater Freundeskreis, Schwusos-Bezirksgruppe, schwuler Chor oder Homo-Sportverein und selbst virtuelle Chaträume oder Portale im Internet. Jeder bastelt sich sein ganz persönliches Mosaik, sein individuelles Kaleidoskop, je nachdem, was ihm gefällt und worauf er steht: Geht nicht? Gibt’s nicht! Szenen sind geschützte Räume unter Gleichgesinnten und helfen dir, dich abzugrenzen und lassen dich so herausfinden, wer du bist und was du magst. Doch wie findest du die richtige Szene, die optimal zu dir passt?

Keine Angst – du kannst selbst auswählen und dich ganz nach Laune im Supermarkt der Möglichkeiten bedienen. Manchmal musst du ein bisschen genauer auf die Verpackung schauen, aber du musst nichts in den Wagen legen, was dir nicht gefällt.

Soviel braucht es gar nicht, um die passende Szene zu finden. Reinhard Klenke, Koordinator des Präventionsprojektes Herzenslust aus Köln, sagt: „Man muss nur ungeheuer neugierig sein und sich auf die Wanderung begeben. Einfach dorthin gehen, wo sich Menschen treffen und neugierig darauf einlassen.“

Georg, das IWWIT-Rollenmodell mit der wohl größten Lebenserfahrung, hat in seinem Leben schon viele Szenen ausprobiert. Sein Rezept, die passende Szene zu finden, ist ganz einfach: „Da, wo ich mich wohl gefühlt habe, war ich richtig. Man darf keine Angst haben, etwas auszuprobieren und man muss viel gesehen haben, um zu wissen, was einem gefällt.“ Probieren geht nun mal über studieren. Georgs Tipp: „Verlasst euch auf euer Gefühl! Lasst euch nicht von Misserfolgen enttäuschen. Je öfter man es versucht, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, die passende Szene zu finden.“

Reinhard Klenke von Herzenslust
Reinhard Klenke von Herzenslust

Wer nicht fündig wird, kann selbst aktiv werden und seine eigene, neue Szene zu schaffen. Reinhard Klenke erzählt: „Ich gehöre ja schon zur älteren Generation. Damals gab es nicht das Angebot, das es heute gibt. Wir haben uns Szene selbst erfinden müssen. Das gilt auch heute noch.“ Die Mühe lohnt sich auf jeden Fall, sagt er: „Eine schwule Heimat zu haben, ist ein schönes Gefühl.“

Dass das nicht immer klappt, ist klar: Szenefrust kennen viele. Manche sind genervt, weil die kommerzielle Szene so sexualisiert ist. Andere sind unzufrieden, weil sie der Prinz in der schimmernden Rüstung schon wieder nicht im Darkroom erwartet. Das muss nicht sein.

Es ist ganz leicht, etwas gegen Szenefrust zu tun: Der erste Schritt ist herauszufinden, was du eigentlich suchst und brauchst. Im zweiten Schritt überprüfe deine Erwartungen und schätze sie realistisch ein: wenn du tatsächlich die große Liebe fürs Leben mit immerwährender Treue und Rosenblättern auf den Kissen suchst, ist der „Fickstutenmarkt“ wahrscheinlich nicht der richtige Ort dafür.

Erwartungen könne auch in anderen Szenen enttäuscht werden: Hofft man im schwulen Chor den muskulösen Handwerken zu treffen, der einem das Leben repariert, wird man wahrscheinlich enttäuscht. Auch wer beim Homosportverein sein Kuschelbärchen sucht, um den Rest des Lebens ein gemütliches Dasein als Coachpotatoe zu fristen, wird vermutlich nicht fündig.

Für jede Szene gilt nämlich: Es gibt Normen, Werte und Regeln. Das ist ein Gruppenphänomen. Es gibt realistische Normen und Ideale, nach denen man streben kann: die Norm z.B., im Chor den Ton zu treffen, macht Sinn, ist für musikalische Menschen umsetzbar und sorgt bei Gelingen für Glücksmomente und Zufriedenheit.

Die entscheidende Frage ist also: Nutzt du diese Normen und Regeln oder bist du ihnen unterworfen? Bestimmst du sie oder diktieren sie dich? Erkenne deine Bedürfnisse und nimm sie selbstbewusst wahr – das ist das beste Mittel gegen Frust. Wenn du dich in der einen Szene nicht wohl fühlst – wer zwingt dich, wieder dorthin zu gehen? Es gibt Unmengen anderer Möglichkeiten und vor allem deutlich bessere, als frustriert zu sein!

Reinhard Klenke schließt ab: „Man kann sich frustriert zurückziehen und sagen: My home is my castle, aber das bringt es doch nicht! Ich bin überzeugt, dass es für jeden ein Stück Heimat geben muss!“

Text: Clemens Glade