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Erster politischer Höhepunkt beim Kölner CSD: Verleihung der Kompassnadeln auf dem Schwulen Empfang.

Sister George mit den Preisträgern der Kompassnadel Ludwig Rubruck und Alfred Schiefer (Foto: IWWIT)

Der Kölner CSD ist in vollem Gange. Im legendären Gürzenich, aus dem sonst auch die Karnevalssitzungen übertragen werden, wurde heute Mittag zum offiziellen CSD-Empfang des Schwulen Netzwerk NRW geladen. Mehr als 700 Gäste aus Politik, NGOs und Gesellschaft kamen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Georg Roth alias Sister George, in deren Verlauf auch die Kompassnadel für herausragende Verdienste um die Förderung und Akzeptanz von lesbischen und schwulen Lebensweisen verliehen wurde.

Ein wenig Karneval wehte durchs Gürzenich als Sister George in den Saal stürmte und anfing durch den CSD-Empfang zu führen. Humorvoll, unterhaltsam und spontan blickte er auf ein Jahr (queere) Politik, Ereignisse und persönliche Erlebnisse zurück. Frech und ironisch kommentierte er die Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Bundestag sowie die hohe Anzahl an politischen Funktionsträgern beim diesjährigen Empfang. Das sei so erstaunlich, da alle wichtigen Wahlkämpfe für dieses Jahr vorbei seien und es für den Bundestagswahlkampf noch zu früh sei.

Herzstück der Veranstaltung aber war die Verleihung der Kompassnadeln an Menschen, die sich besonders um die lesbisch-schwule Szene verdient gemacht haben.

Beeindruckend schilderte Laudator Stefan Meschig den Lebensweg des Paares Ludwig Rubruck und Alfred Schiefer. Die beiden Anfang 80-Jährigen erlebten ihr inneres Coming Out mitten in der dunklen Zeit des Nazi-Regimes. Erst nach dem Krieg war es ihnen überhaupt möglich, ihre Homosexualität in noch immer engen Grenzen zu leben.

Alfred und Ludwig: Seit über 60 Jahren ein Paar

Wie es sich für richtige Kölner gehört, lernten Alfred und Ludwig sich während des Karnevals 1956 kennen. Und waren seitdem ein Paar, bis heute.

In ganz Deutschland wurden sie durch ihr ehrenamtliches Engagement für Homosexuelle und den Aufbau schwuler Selbsthilfestrukturen in Köln bekannt. In den 1980er und 1990er Jahren trugen ihre öffentlichen Auftritte in Sendungen wie „Boulevard Bio“ oder „Schreinemakers“ dazu bei, die Akzeptanz gegenüber Homosexuellen in der Gesellschaft zu fördern.

Im Jahre 2001 gehörten sie zu den Ersten, die sich ihre Lebenspartnerschaft eintragen ließen und setzten sich seitdem für die Öffnung der Ehe ein. Denn Alfreds Wunsch ist es, endlich sagen zu können: „Das ist mein Ehemann.“

Dannecker und der „schwule Urknall“

Die Kompassnadel für „besonders prominentes Engagement bei der Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz der schwulen Minderheit“ wurde an den Autor und Sexualwissenschaftler Prof. Dr. Martin Dannecker verliehen.

1974 veröffentlichte er die erste empirische Studie über homosexuelle Lebensweisen. Er wirke maßgeblich an dem Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“ von Rosa von Praunheim mit. Das Schwule Netzwerk NRW bezeichnete diese Arbeiten Danneckers als „schwulen Urknall“ in Deutschland. Er führte zur Gründung vieler Schwulengruppen- und initiativen.

Bis heute sorgt Dannecker mit seinen Untersuchungen und Thesen für Diskussionsstoff, auch gerade innerhalb der Community. Und seiner spannenden Dankesrede war deutlich anzumerken, dass sein Engagement noch lange nicht am Ende ist. Auch in seiner Rede legte er den Finger immer wieder in Wunden, wenn er zum Beispiel eine zu große Anpassung von Homosexuellen an den heteronormativen Mainstream kritisierte. Diese Anpassung würde nicht zwangsläufig zu mehr Freiheit oder Akzeptanz führen.

Für alle drei Preisträger gab es langanhaltende Standing Ovations. Den Laudatoren, aber auch dem Publikum merkte man deutlich Stolz auf die Preisträger, aber auch Ergriffenheit über die beeindruckenden Lebenswege dieser Männer an.

Während von draußen bereits deutlich die Bässe der Musikbühnen des Prides im Gürzenich hörbar wurden, hatte der Kölner CSD an diesem Mittag einen politischen Höhepunkt.