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Per Mausklick zum Rausch – Gefahr von Drogen aus dem Internet

Drogen aus dem Internet sind weit verbreitet. Ihre Gefahren werden oft unterschätzt. Ein Interview mit dem Pharmazeuten Thibor Harrach.

Der Handel mit ihnen boomt: Drogen auf Bestellung aus dem Internet. Die sogenannten Research Chemicals werden als Badesalze oder Felgenpolituren verkauft. Woraus sie wirklich bestehen, kann der Konsument meist nicht nachvollziehen. Die gesundheitlichen Gefahren sind hoch. Tibor Harrach ist Pharmazeut an der Charité Berlin mit dem Schwerpunkt auf toxikologischen Studien. Er ist außerdem Mitbegründer der Druckchecking Initiative Berlin-Brandenburg. Im Interview mit Kriss Rudolph spricht er über die Gefahren von Research Chemicals.

Pharmazeut Thibor Harrach bei einer Schulung in Dortmund. (Foto: Harrach)

Was genau sind Research Chemicals eigentlich?

Research Chemicals, „Forschungs-Chemikalien“, sind synthetische psychoaktive Substanzen. Sie werden wahrscheinlich überwiegend in Asien produziert – oft gezielt, um die internationalen Drogenkontrollgesetze zu umgehen. Dank Vermarktung über das Internet sind sie weltweit im Umlauf. Jahr für Jahr kommen viele neue Research Chemicals auf den Markt, und es werden immer mehr. 2009 hat die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) 24 neu identifizierte Substanzen gemeldet, 2010 waren es 41, 2011 schon 49. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung spricht von „einer neuen Droge pro Woche“.

Erleichtert das Internet also den Zugang zu solchen Drogen?

Es ist kinderleicht, sich RCs übers Internet zu besorgen. Dort werden sie zum Beispiel als „Badesalze“, „Raumdüfte“ oder „Pflanzendünger“ unter fantasievollen Produktnahmen und in meist bunten, attraktiv aufgemachten Tütchen angeboten – vor der Einnahme wird dabei ausdrücklich gewarnt. Die Zusammensetzung dieser Präparate ist meist unklar und schwankt stark.

Der Konsum dieser Stoffe ist also gefährlich?

Offensichtlich durchsuchen die Produzenten systematisch wissenschaftliche Datenbanken nach bewusstseinsverändernden Substanzen aus der medizinisch-pharmazeutischen Grundlagenforschung. Damit wissen sie dann zwar, dass diese Substanzen psychotrop wirksam sind, aber nicht, mit welchen gesundheitlichen Risiken der Konsum einhergeht. In der Regel gibt es auch keine Untersuchungen zur Verstoffwechselung dieser Substanzen, sodass man auch keine Vorhersagen zu Wechselwirkungs-Risiken machen kann; das betrifft auch Wechselwirkungen zwischen diesen Substanzen und HIV-Medikamenten. Sollte eine solche neuartige synthetische Droge nur über einen Stoffwechselweg abgebaut werden, der zum Beispiel durch ein HIV-Medikament blockiert wird, besteht die Gefahr einer akuten Überdosierung.

Und offenbar kann man sich ja nicht einmal sicher sein, was im jeweiligen Produkt enthalten ist.

Nein, man kann leider nicht wissen, welche Substanzen und wie viel davon wirklich enthalten ist, denn es gibt keinerlei Qualitätskontrollen. Insbesondere die sogenannten Badesalzdrogen und Räuchermischungen mit synthetischen Cannabinoiden schwanken stark in ihrer Zusammensetzung. Auch falsche Kennzeichnungen können fatale Konsequenzen haben: 2009 gab es zwei Todesfälle in den USA und Dänemark, weil eine mit chemischer Strukturformel und dem Szenenamen 2C-B-Fly deklarierte Substanz in Wirklichkeit Bromo-Dragonfly enthielt, das etwa zehnmal so stark ist wie 2C-B-Fly. Leider gibt es in Deutschland nicht wie in den Niederlanden, Österreich oder der Schweiz die Möglichkeit von Drugcheckings, also der chemischen Analyse solcher RCs. Man lässt die Konsumenten einfach in ein vermeidbares Risiko laufen.

Wie weit sind Research Chemicals eigentlich verbreitet?

Was die Anbieterseite angeht, so wurden 2010 laut EU-Kommission 136 Online-Shops ermittelt, die meisten davon in den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland.

Bei den Usern sieht es so aus, dass gemäß einer 2011 veröffentlichten Eurobarometerstudie durschnittlich jeder zwanzigste junge Europäer zwischen 14 und 25 Jahren Konsumerfahrungen mit legalen psychoaktiven Substanzen hatte. Spitzenreiter war Irland mit 16 Prozent, gefolgt von Polen und Lettland mit je neun und Großbritannien mit rund acht Prozent. Deutschland lag mit 3,7 Prozent Mittelfeld. Von den Usern waren doppelt so viele männlich, sie wohnten meistens in Großstädten und waren vorwiegend über 18 Jahre alt.

Sind Research Chemicals illegal?

RCs gehören zu den sogenannten Legal Highs. In Deutschland sind konsumbezogene Handlungen wie Besitz und Erwerb nicht strafbar. Die Produkte werden von deutschen Gerichten aber regelmäßig als bedenkliche und nicht zugelassene Arzneimittel eingestuft, ihr Vertrieb wird in der Regel mit hohen Strafen geahndet.

Von Kriss Rudolph

Autor & Journalist, freie Mitarbeit u.a. für IWWIT-Blog und t-online.de, aktuell Chefredakteur MANNSCHAFT Magazin (Deutschland) und Online-Chef MANNSCHAFT.com, früher Chefredakteur der Zeitschrift MÄNNER (2015-2017)