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Reden, worüber sonst keiner spricht

„Die Dosis macht das Gift“: Unter diesem Motto wurde am Mittwochabend in Hamburg über Drogen diskutiert. Hier die Beobachtungen unseres Rollenmodells Florian.

Unter dem Motto „Die Dosis macht das Gift“ wurde am Mittwochabend in der Hamburger Aidshilfe über Drogenkonsum diskutiert. Mit dabei war unser Rollenmodell Florian, der im vergangenen September mit seiner offenen Haltung zum Thema Drogen und Risikominimierung für viel Aufsehen sorgte. Hier sein Blogbeitrag zur Diskussionsrunde in der Hamburger Aidshilfe.

Ob Aidshilfen, Ehrenamtler, Jugendgruppen oder Szenewirte. Mit dem Vortrag “Die Dosis macht das Gift” sind wir nun seit einem halben Jahr auf Tour. Der Start läuft meistens gleich. Nur wenige melden sich bei der Frage danach “wer schon mal Drogen konsumiert habe”. Keiner denkt an Alkohol, Nikotin oder das allzu beliebte Poppers. Es ist ein schwieriges Thema über das ich zusammen mit meinem Rollenmodell-Kollegen Franz in Hamburg die Diskussion mit Interessierten in der Aidshilfe führe – Drogen: Da hat jeder sein eigenes Bild dazu. Meist hat es etwas mit Spritzen, mit moralischen Vorstellungen oder mit einer Randgruppe zu tun.

Eine Randgruppe in anderen Randgruppen?

Jetzt sind Franz und ich schon schwul, HIV-Positiv und nehmen auch noch Drogen. Eine Randgruppe in zwei anderen Randgruppen. Dichter am Rande der Gesellschaft kann man kaum stehen. Meint man. Doch wenn ich mich umschaue, stehen jedes Wochenende ganz viele Menschen genau da wo wir stehen, bringen die gleichen Voraussetzungen mit und konsumieren kräftig. Deswegen ist die Diskussion über dieses Thema wichtig, weil eben doch “Mainstream” innerhalb der Szene.

Drogen sind heute kein Thema von gescheiterten Persönlichkeiten mehr. Drogen sind allgegenwärtig, in vielen Orten sogar schon gesellschaftsfähig. Und so mancher der mit erhobenem Zeigefinger auf die Konsumenten zeigt, realisiert bisweilen nicht, dass seine Wodka-Bulls am Wochenende eben auch zum Themenkreis Drogen gehören.

Ob es um legale oder illegale Drogen geht, soll beim Gespräch mit der Community und Betroffenen erstmal außen vor bleiben. Nur das ermöglicht die Chance sich dem Thema und damit wichtigen Präventionstipps auf Augenhöhe und ohne moralische Zuschreibungen zu nähern.

In der Aidshilfe Hamburg ist das bestens gelungen. Sehr aufmerksam verfolgten die Ehrenamtler und Interessierten unseren Vortrag am Mittwochabend darüber, welche unterschiedlichen Substanzen derzeit verbreitet sind, welche Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen diese mit sich bringen. Offenheit führt immer zu Offenheit.

Von wegen Randgruppe

Die September-Anzeige mit Rollenmodell Florian sorgte für viele Diskussionen. (Quelle: IWWIT)

Das merke ich auch bei unserem Vortrag in Hamburg wieder. Denn nach und nach weicht die anfängliche Zurückhaltung interessierten und in die Tiefe gehenden Fragen. Wir diskutieren über den schmalen Grad zwischen kontrolliertem Konsum und Abhängigkeit, erleben eine Gruppe, die “Drugchecking” eine fantastische Idee findet und bekommen ein Danke von einem Teilnehmer, der bisweilen trotz Booster in seinen HIV-Medikamenten noch nie beim Konsum von Ecstasy über die gefährliche Wechselwirkung nachgedacht hat und hier zukünftig viel vorsichtiger sein möchte.

Mission geglückt: Am Ende sind es also doch mehr Menschen, die Erfahrung mit Konsum haben als man denkt. Von wegen Randgruppe.

“Gut das ICH WEISS WAS ICH TU über so ein Thema spricht und damit einen Beitrag leistet Drogenunfälle zu verhindern“, sagt jemand bei der Verabschiedung zu uns. Ich finde, er hat Recht.