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Leben mit HIV Politik & Gesellschaft

Ich habe viel über mich selbst gelernt!

Interview René

René (32) aus Frankfurt macht ehrenamtlich HIV Prävention mit den Love Rebels, dem Frankfurter Vor-Ort-Präventionsteam. Dadurch hat er ganz nebenbei seinen Berufswunsch entdeckt.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, dich ehrenamtlich zu engagieren?

Das hatte anfangs private Gründe. Als mein damaliger Freund und ich etwa vier Monate zusammen waren, beschlossen wir, dass Kondom weg zu lassen. Ich vertraute ihm da und ging davon aus, dass wir eine monogame Beziehung führen. Das war ein Irrtum. Jedenfalls tat er das nicht. Und ich hörte dann auch noch, dass er auf Sexpartys war und es dort ohne Kondom trieb. Ich hab dann erst mal schnell einen HIV-Test gemacht. Der war zum Glück negativ. Trotzdem war das für mich das Schlüsselerlebnis. Ab da wollte ich mich in der Szene engagieren, Menschen über HIV und Schutz aufklären.

Mit deinem Team gehst Du in Bars und Clubs, verteilst Kondome, redest mit den Männern. Wie werdet ihr da empfangen?

Eigentlich immer positiv. Klar, wenn da eine Party ist, da wollen die Leute dann nicht so viel reden. Dann drücke ich ihnen eben ein Kondom in die Hand, vielleicht noch eine Broschüre. Das wars dann. In Kneipen ist das anders. Da kommt man schnell ins Gespräch, unterhält sich, bekommt auch viel erzählt. Das ist schon manchmal sehr spannend. Und ich liebe es einfach, immer wieder neue Menschen und deren Geschichten kennen zu lernen. Das bereichert mich auch, weil ich Leute kennen lerne, die ich so vielleicht nie treffen würde. Manchmal bekommt man auch was ausgegeben. Das ist natürlich auch nicht schlecht (lacht).

Ihr steht den Leuten ja auch mit Rat und Tat zur Seite. Was sind denn so die häufigsten Themen, auf die ihr angesprochen werdet?

Das sind ganz eindeutig die sexuell übertragbaren Infektionen (STI). Beim Thema HIV wissen die meisten Leute ganz gut Bescheid. Aber die STI sind quasi ein Dauerbrenner. Da geht es dann vor allem um die Übertragungswege und so. Viele sind dann echt überrascht, dass Du dir eine STI eigentlich recht leicht holen kannst und das es bei einer Infektion nicht immer Symptome geben muss. Du kannst also eine haben und weißt es nicht mal. Deswegen sind auch STI-Tests so wichtig. Ums Blasen geht’s allerdings auch oft: Ist es schlimm, wenn ich Sperma geschluckt habe? Wie hoch ist da das Risiko, sich mit HIV zu infizieren u.s.w.? Der Klassiker eben.

Aber ist es nicht langweilig, wenn man oft das Selbe gefragt wird und über die gleichen Themen redet?

Nein, überhaupt nicht. Denn es sind immer andere Menschen, mit neuen Geschichten. Und da stehen eben Männer vor Dir, die wirklich etwas von Dir wissen wollen. Die Fragen an dich haben und denen Du ein stückweit helfen kannst. Auch wenn das egoistisch klingt: Aber mir gibt das wirklich sehr viel. Zu sehen, dass ich in einem Gespräch einem anderen Menschen helfe, seine Fragen ernst nehme und er vielleicht mit einer Antwort nach Hause geht. Das ist ein tolles Gefühl.

Das ist ein guter Punkt. Kannst Du jemand anderem beschreiben, was Dir dein Ehrenamt persönlich gibt?

Das ist immer spannend: Wen treffe ich heute Abend? Welche Geschichten werde ich hören? Du lernst dabei viel über dich selber. Du lernst zu zuhören, Fragen und Probleme ernst zu nehmen. Ja, du lernst auch, Berührungsängste abzubauen und toleranter zu werden, selbst, wenn Dir dass, was jemand erzählt, vielleicht nicht immer gefällt und so. Und es gibt mir einfach ein gutes Gefühl, wenn ich merke, ich konnte jemandem helfen. Sei es nur mit einem Kondom zum richtigen Zeitpunkt oder mit einem Gespräch. Durch dieses Ehrenamt hat sich bei mir einfach viel geändert.

Gibt es da etwas ganz konkretes?

Ja. Mein Berufswunsch hat sich völlig geändert. Ich werde noch mal studieren: Soziale Arbeit. Ich möchte mich dann weiterhin in der Szene engagieren und glaube, das Studium hilft mir da noch mal weiter. Ich weiß nicht, wo ich jetzt ohne das Ehrenamt wäre. Aber ganz ehrlich: Besser als jetzt, ginge es mir garantiert nicht.