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Unter Brüdern

Gewalt und Drogenhandel gehören in dem Kinofilm „My Brother the Devil“ zum Alltag der Londoner Straßengangs. Als Schwuler allerdings hat man ein ernsthaftes Problem.

Rashid (r.) will, dass sein kleinerer Bruder Mo ein besseres Leben hat (Szenenfoto: Edel)
Rashid (r.) will, dass sein kleinerer Bruder Mo ein besseres Leben hat (Szenenfoto: Edel)

Eigentlich ist Rashid ein Guter. Seinen Kumpels im tristen, von Sozialbauten geprägten Londoner Stadtteil Hackney ist er ein verlässlicher und fürsorglicher Freund. Seiner herzlichen Mutter steckt er heimlich ein paar Scheine ins Portemonnaie, damit sie besser über die Runden kommt. Vor allem aber auf seinen kleinen Bruder, den 14-jährigen Mo (Fady Elsayed), hat Rashid ein wachsames Auge. Er soll den Absprung schaffen: raus aus diesem Viertel und hinein in ein besseres Leben.

Rashid will ihm das College und später ein Studium finanzieren und eines Tages auch seiner aus Ägypten immigrierten Familie endlich eine größere Wohnung. Solange schlafen die Brüder noch im gemeinsamen Etagenbett ihres beengten Zimmers. Im Grunde genommen hat Rashid (James Floyd) sein Herz auf dem rechten Fleck. Nur um einen richtigen Job kümmert er sich nicht – sehr zum Ärger seines Vaters. Kein Wunder: „Ich verdiene in einer Woche mehr als mein Vater im ganzen Monat.“

Gut im Geschäft

Rashid ist Dealer. Mit seiner arabischstämmigen Clique ist er im Viertel gut im Geschäft. Bis eines Tages sein bester Freund bei einem Bandenkrieg erstochen wird, ein Erlebnis, das Rashids Identität komplett auf den Kopf stellt. Wie sich die Gewaltspirale unaufhörlich weiterdreht und mit welchen Wendungen nun auch Mos Leben aus der Bahn geworfen wird, erzählt Filmemacherin Sally El Hosaini in „My Brother the Devil“ (im Februar bundesweit in der „Mongay“-Kinoreihe zu sehen und danach auf DVD erhältlich) mit durchaus bekannten Genre-Versatzstücken.

Als Rashids Schwulsein bekannt wird, wird alles anders (Szenenfoto: Edel)
Als Rashids Schwulsein bekannt wird, wird alles anders (Szenenfoto: Edel)

Die besondere Qualität gewinnt dieser Debütfilm der französisch-marokkanischen Regisseurin durch die beiden überzeugenden Hauptdarsteller, das sehr genau recherchierte Setting der Geschichte und die authentischen Figuren. Denn so ambivalent wie Rashid sind auch die anderen Hauptcharaktere gezeichnet. Sie geraten letztlich alle ins Trudeln: durch die unterschiedlichen Erwartungen der Familie und der Freundescliquen, durch ihr Leben zwischen den Kulturen und gesellschaftlichen Zugehörigkeiten – als Araber, Einwanderer, Brite, Moslem, Schwuler oder Krimineller.

Das neu entdeckte Begehren

Rashid durchleidet schwerste innere Kämpfe, bis er sich seine Liebe zu dem Fotografen Sayyid (Saïd Taghmaoui) zugestehen kann. Als gläubiger Muslim stürzt ihn das neu entdeckte Begehren in eine tiefe Krise. Bei Mo wiederum, der dieses Geheimnis zufällig erfährt, zerbricht dadurch das Bild seines bis dahin vergötterten Bruders. Unfreiwillig macht er ihn nun zum Ziel einer homophoben Hetzjagd, und es kommt zur Eskalation der schwelenden Konflikte. Wer von beiden nun der titelgebende teuflische Bruder ist, diese Entscheidung überlässt Regisseurin El Hosaini ganz den Zuschauern. Ganz so einfach dürfte sie allerdings nicht fallen.

My Brother the Devil: Rashid ist eigentlich ein Guter (Szenenfoto: Edel)
Rashid ist eigentlich ein Guter (Szenenfoto: Edel)

„My Brother the Devil” (GB 2012), Regie Sally El Hosaini. Mit James Floyd, Saïd Taghmaoui, Nasser Memarzi, Fady Elsayed. 112 Minuten. Auf DVD, Blu-Ray (Edel) und VoD ab 25. 4. im Handel, bereits ab 10.4. im Verleih.

Link zum Trailer (in englischer Originalfassung)

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Von Axel Schock

Freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.