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Legal – mit Einschränkungen: Die Bedeutung von Sperrgebieten in der Sexarbeit

Bestandsaufnahme und Bewertung von Tobias Gogoll vom BASIS-Projekt in Hamburg

Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland legal. Eigentlich.
Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland legal. Eigentlich.

Prostitution ist in Deutschland legal und seit dem Prostitutionsgesetz von 2002 nicht mehr sittenwidrig. Das würde auch bedeuten, dass Sexarbeiter_innen seitdem ohne größere Hindernisse ihrem Job nachgehen sowie Prostitutionskunden ihre Dienstleistung kaufen könnten. Doch ist dem wirklich so?

Fakt ist: Die allermeisten Großstädte Deutschlands, verhängen sogenannte Sperrgebiete, in denen die Prostitution verboten ist. Berlin ist hier ein prominentes Gegenbeispiel. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass Sex 4 Cash an bestimmten Orten, Straßen und Plätzen zu bestimmten Zeiten erlaubt ist. Man spricht hier von Toleranzzonen. Der Gesetzgeber kann aber auch bestimmte Ausübungsformen der Prostitution verbieten. So gibt es zum Beispiel das Verbot der Anbahnung auf der Straße – in einer Bar ist die Kontaktaufnahme dann wiederum „O.K“. Dieser Zustand hat seine rechtliche Grundlage in einer Regelung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, dem Artikel 297 EGStGB „Verbot der Prostitution“. Die Organisationen von Sexarbeiter_innen wie auch Beratungsstellen für Prostituierte fordern die Abschaffung dieses Sondergesetzes. Denn: Entweder ist Prostitution eine legale Erwerbstätigkeit – in vollem Umfang – oder sie bleibt weiterhin im Interesse des „öffentlichen Anstandes“ und somit eines veralteten Sittenverständnisses kriminalisiert.

Der Gesetzgeber verschärft die Situation selbst

Sicher, die Städte handhaben diese Verbote unterschiedlich. Und nicht überall wird das Sperrgebiet gleich hart durchgesetzt. Zudem trifft  Frauen und Transgender in der Sexarbeit sowie ihre Kunden die polizeiliche Überwachung viel eher als Stricher und männliche Escorts. Denn das Männer Sex von Männern kaufen wollen, wird von den meisten Ordnungshütern nach wie vor kaum in Erwägung gezogen. Prostitution ist immer noch etwas Weibliches. Die Männer, Anbieter wie Kunden, werden weitgehend übersehen. Die Verbote sollen natürlich unangenehm sein und dienen letztlich auch einer Bereinigung aufgewerteter innerstädtischer Räume: Soziale Hygiene zum Wohl neuer Wohnbevölkerungen.

Eine Abdrängung zum Beispiel in entlegene Gewerbegebiete öffnet Nötigung und Gewalt Tür und Tor. (Foto: Fotolia)
Eine Abdrängung zum Beispiel in entlegene Gewerbegebiete öffnet Nötigung und Gewalt Tür und Tor. (Foto: Fotolia)

Der erhöhte Druck auf Sex Worker und Kunden hat Auswirkungen. Statt sich offen zeigen zu können, geht ein Versteckspiel vor der Polizei los. Dieses macht Sex Worker und Kunden anfälliger für Straftaten. Die Abdrängung von Sexarbeiter_innen zum Beispiel in entlegene Gewerbegebiete öffnet Nötigung und Gewalt Tür und Tor. Die Angst, entdeckt zu werden ist ungünstig für die Verständigung über den Sex und das Geschäft. Die Frage steht im Raum, ob die repressiven Maßnahmen nicht auch die eine oder andere Safer Sex Botschaft in Vergessenheit geraten lassen.  

Besonders schwierig ist die Situation derjenigen, die den öffentlichen Raum als Arbeitsort wählen. In der öffentlichen Wahrnehmung werden sie oftmals zu „Armutsprostituierten“ oder – vor allem im Falle von Migrant_innen – zu Opfern der sogenannten „Zwangsprostitution“. Eine Spirale, denn diese Form der Prostitution dient als Rechtfertigung der gesetzlichen Maßnahmen wie den Sperrgebieten. Die gesetzlichen Einschränkungen wiederum sind allerdings Ursache von Armut und Zwang, da sie die Arbeitsverhältnisse der Sexarbeiter_innen drastisch negativ beeinflussen. Auch in der Schwulenszene ist der Stricher nicht unbedingt wohl gelitten. Zu sehr macht uns seine Präsenz auf die Schattenseiten unserer schönen neuen Innenstädte aufmerksam.