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Politik & Gesellschaft

Der Asiate ist nicht schwedisch genug

Chris wurde vor 26 Jahren in Hamburg geboren, hat der Bundesrepublik noch als Zivi gedient und studiert derzeit fleißig Modedesign. Das hält viele nicht davon ab, ihn wegen seiner Hautfarbe als fremd einzusortieren.

Chris wurde vor 26 Jahren in Hamburg geboren, hat der Bundesrepublik noch als Zivi gedient und studiert derzeit fleißig Modedesign. Das hält viele nicht davon ab, ihn wegen seiner Hautfarbe als fremd einzusortieren. Philip Eicker sprach mit Chris über chinesische Herkunft, gutes Benehmen und schwules Leben in San Francisco.  

Ich habe das Gefühl, dass Leute, die jünger sind als ich, viel lockerer mit dem Thema umgehen. (Foto: privat)

Chris, in machen Gayromeo-Profilen steht: „Sorry, keine Asiaten.“ Was denkst du, wenn du sowas liest?
Du meinst so Einträge wie: „Sorry, keine Asiaten, Asozialen und Hässlichen“? (lacht) Es sind ja oft Listen: keine Fetten, keine Tunten … Bei Asiaten habe ich auch schon gelesen: „Sorry nichts gegen euch. Aber euer Essen ist gut!“ Da denke ich mir nur: Man möge bitte ihm beim nächsten Mal besonders viel Glutamat in sein Essen rühren! (lacht)  

Schon mal einen Verfasser zur Rede gestellt?
Nein, ich klicke das weg und ärgere mich nicht darüber. Zuviel Zeitverschwendung.  

Wann bist du zuletzt wegen deiner chinesischen Abstammung in eine Schublade gesteckt worden?
Das betraf mich nicht persönlich, sondern meinen Freund. Der wurde gefragt, warum er denn mit einem Asiaten zusammen ist, so als müsse er sich rechtfertigen. 

Wie findest du das?
Es passierte mitten in einer Bar. Es ist surreal, mit welcher Selbstverständlichkeit so etwas in aller Öffentlichkeit ausgesprochen wird. Und für eine Sekunde frage ich mich auch: Warum sagt man sowas? Die Frage geht aber auch schnell wieder weg. Es ist ja nicht der erste Fall. Aber ich finde, dass einige Menschen sich nicht zu benehmen wissen. Das ist unterstes Niveau.  

Woher kommen diese Vorbehalte?
Ich bin kein Psychologe, aber was ich denke ist, dass das Schönheitsideal in der schwulen Gemeinde sehr maskulin ist. Da Asiaten von der Physis her seltener maskulin sind, gelten sie vielleicht als unmännlich. Außerdem als exotisch. Der Asiate ist nicht schwedisch genug. Ich habe aber das Gefühl, dass Leute, die jünger sind als ich, viel lockerer mit dem Thema umgehen.

Begegnen dir solche Vorbehalte auch beim Dating?
Dating ist schon eine Weile her. Aber mit 16 zum Beispiel habe ich mal einen Typen gedatet. Nach dem zweiten oder dritten Date sagte er mir dann, er würde sich nicht mehr mit mir treffen wollen: „Meine Freunde meinten, es ist nicht gut, einen Asiaten zu daten.“ Dabei war das eigentlich ein Mensch mit einem eigenen Kopf. 

Wie hast du reagiert? 
Ich habe wahrscheinlich nur gesagt: Alles klar, ich hau dann ab. Dann bin ich gegangen und habe mir nur gedacht, dass da jemand unbedingt neue Freunde braucht.

Was hilft dir gegen Rassismus-Frust?
Wenn ich mit meinen Freunden darüber rede. Sie reagieren oft geschockt darauf. Später machen wir Witze darüber und denken uns wie dumm das doch ist. Manchmal haben sie ein Gehör für ernstere Worte. Das hilft. Aber generell kommt mir sowas einfach nicht ins Haus, ich halte Abstand.

Du lebst in einer Beziehung. Fühlst du dich da manchmal ausgrenzt?
Auf keinen Fall! Manches ist für meinen Freund neuartig und das mag er, aber es herrscht auf keinen Fall so eine Stimmung wie: Das Eine ist besser als das Andere.  

Du hast als 17-Jähriger mit deinen Eltern in den USA gelebt. War die Situation dort ähnlich?
Dazu muss man wissen: Wir waren in einem Vorort von San Francisco, eine sehr konservative Gegend. Aber wenn ich mit Freunden in die Stadt gefahren bin, dann war Schwulsein die normalste Sache der Welt. Es gibt in Kalifornien viel mehr Asiaten und inzwischen sogar mehr Latinos als kaukasische Leute, entsprechend hat auch die schwule Community mehr Facetten. Die Leute dort haben natürlich Präferenzen und Abneigungen, aber man kann Asiaten nicht so einfach wegkategorisieren, weil man täglich mit ihnen zu tun hat. Die Leute haben keine prinzipielle Abneigung. 

Wo wir von Vorurteilen sprechen: Du studierst Modedesign. Wie schwul ist das denn? 
Superschwul, oder? (lacht) Ich erfülle viele Klischees: Ich bin der schwule, leicht abgedrehte, effeminierte Modedesigner – aber das ist mir egal. Die Leute sollen das ruhig von mir denken. Ich will keine Entscheidungen davon abhängig machen, ob Leute gewisse Sachen für „zu schwul“ halten. Aber die Wertung dahinter ist erschreckend! Es zwingt dich niemand, mit Personen, auf die du nicht stehst, sexuell zu agieren. Wenn du das trotzdem sofort auf eine so diskriminierende Weise klarstellen musst, mangelt es dir an Erziehung. Oder dir ist irgendwas Falsches eingetrichtert worden.    

Von Philip Eicker

Arbeitet freiberuflich als Autor und Magazinredakteur, unter anderem für die Deutsche Aidshilfe, das Erzbistum Berlin und das queere Stadtmagazin Siegessaeule.