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Leben mit HIV

Mini-Serie: Mein HIV-Coming-out (Teil ll) – heute: René

René infizierte sich bereits Anfang der 90er-Jahre, als Positive stärker als heute mit Diskriminierung und Vorurteilen zu kämpfen hatten. Teil II der kleinen Mini-Serie zum Thema HIV-Coming-out.

René infizierte sich bereits Anfang der 90er-Jahre, als Positive stärker als heute mit Diskriminierung und Vorurteilen zu kämpfen hatten.

„HIV-Coming-out – das hört sich dramatisch an. Der Begriff klingt nach nächte-langem inneren Ringen. ‚Sag ich es, sag ich es nicht, und wenn ja, wem?‘ Mir selbst hat sich diese Frage nie gestellt. Es entspricht meinem Wesen, Freunden und Familie einschneidende Ereignisse meines Lebens mitzuteilen. Und so waren es meine Eltern, die als erste von meiner Infektion erfuhren.

Nach einer Notoperation in der Silvesternacht 1993 hatte ich wochenlang im Krankenhaus gelegen. Kurz vor der Entlassung teilten mir die Ärzte mit, dass ich das Virus trage und dass es wahrscheinlich Ursache meines Zusammenbruchs gewesen sei. Sobald ich den ersten Schock verarbeitet hatte, rief ich meine Eltern an und verabredete mich zum Gespräch. Sie heulten noch mehr als ich. Am Ende sagte mein Vater: ‚Junge, wir schaffen das.‘

Deutlich weniger solidarisch zeigte sich mein Chef. Ich hatte zwar gar nicht vorgehabt, ihn einzuweihen. Dummerweise traf ich ihn aber auf der Straße. Wie es sein könne, dass ich trotz Krankschreibung draußen herumlaufe. Ich sackte regelrecht zusammen, begann zu weinen, und verriet ihm den Grund. ‚Na dann brauchen wir gar nicht weiter zu reden‘, blaffte er mich an. ‚Du bist raus.‘ Am nächsten Tag hielt ich die Kündigung in der Hand. Heute würde ich mir das nicht mehr bieten lassen. So kurz nach der HIV-Diagnose war ich für eine Auseinandersetzung aber zu labil. Also gab ich meinen Job als Verkäufer auf.

In der Szene habe ich selten schlechte Erfahrungen gemacht. Ich lebte offen positiv in Stuttgart, und in einer Stadt dieser Größe bedeutet das: Es spricht sich herum. Wer mich wegen meiner Infektion möglicherweise verurteilte, ging mir also ohnehin aus dem Weg. Ich engagierte mich in der AIDS-Hilfe. Da ich noch sehr jung war, eignete ich mich gut als Gesprächspartner für Schulklassen. Die Jugendlichen begegneten mir offen und neugierig. Wegen meiner Fahrten durch ganz Baden-Württemberg hatte ich bei meinen Kollegen in der AIDS-Hilfe bald meinen Spitznamen weg: ‚das reisende Virus‘.“

Hier berichtet Thilo von seinen Erfahrungen.

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Der ‚Spitzname‘ von Rene war natürlich liebenswürdig gemeint.