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„Can I just be human? / Can I just be me?“

Das neue Album „Boyology“ des dänischen Popsängers Asbjørn: über die Emanzipation von einem traditionellen männlichen Ideal, inspiriert von seinen musikalischen Vorbildern Robyn oder auch Lykkie Li. Eine Kritik.

Auf seinem neuen Album „Boyology“ plädiert der dänische Popsänger Asbjørn für ein anderes Verständnis von Männlichkeit – und ermutigt insbesondere schwule Männer zu ihrer Verletzlichkeit zu stehen.

Bereits 1984 fragte Herbert Grönemeyer „Wann ist ein Mann ein Mann?“. Nach fast vier Jahrzehnten, die seither vergangen sind, steht die Frage immer noch im Raum. Auch den dänischen Popsänger Asbjørn treibt sie um. So geht es bei dieser Frage letztlich doch auch um die eigene Identität als queerer Mann und ein neues Selbstverständnis von Männlichkeit.

Emanzipation vom traditionellen männlichen Ideal

Wie ein roter Faden zieht sich diese Auseinandersetzung durch sein neues, inzwischen drittes Album. Es ist, wie der 29-Jährige sagt, seine „Emanzipation vom traditionellen männlichen Ideal und den unsichtbaren Erwartungen in der Gesellschaft und an uns selbst, wie ein Mann sein oder nicht sein sollte“. Am Deutlichsten packt das Asbjørn in seinem melancholisch-nachdenklichen Song „Be Human“ in prägnante Verszeilen: “I don’t wanna be a man/ If man means power, to not empower others”. Und “I don’t wanna be a man/ If man means violence instead of showing kindness.”

Das Albumcover von „Boyology“ von Asbjørn. (Artwork by Max Binski)

Mit wehmütig klingendem Falsett singt Asbjørn von verlogenen, veralteten und toxischen Vorstellungen der Männlichkeit. So fragt er schließlich zu fragen: „Can I just be human? / Can I just be me?“ Einfach sich selbst sein, sich auch Verletzlichkeit zuzugestehen, ist eine der Messages, die Asbjørn in klugen und zugleich tanzbaren Pop verpackt hat. Ebenso wie die Botschaft: vor allem an sich selbst glauben und sich nicht zu verstellen, auch wenn’s um Liebesdinge geht.

Ein gesungenes „Ihr könnt mich mal…“ an seine alte Plattenfirma

Der in der Nähe von Aarhus aufgewachsene Sänger, Musiker und Produzent scheint aus eigener Erfahrung zu sprechen. Gleich mehrere Songs erzählen von zerbrochenen Beziehungen sowie gleichzeitig von der Angst vor festen Bindungen. „Remember my Name“ ist einer davon, auch dies ein sehr emotionaler, von elektronischen Beats getriebener Track. Die Verszeilen „Rember my name, the boy that got away“ kann als Nachricht an einen Ex verstanden werden, der von der Trennung kalt erwischt wurde. Für Asbjørn hat der Song aber auch noch eine ganz andere, sehr persönliche Lesart. Genaugenommen ist er ein „Ich schaff’s auch ohne euch“-Gruß an seine alte Plattenfirma. Allerdings war das Material, das er in seiner Wahlheimat Berlin für sein dritten Album erarbeitet hatte, dieser nicht kommerziell genug.

„Ich war zutiefst verletzt vom Zynismus der Branche“, gesteht Asbjørn. Deshalb verzog er sich in ein Sommerhaus in Dänemark, „wo ich das Meer anschreien konnte, um den letzten Rest meiner Resilienz zu entfachen und ihnen das Gegenteil zu beweisen.“

Inspiriert von Lyykie Li, Robyn und anderen großen Künstler*innen

In den elf Songs von „Boylogica“ zeigt Asbjørn, was er von seinen musikalischen Vorbildern wie Lyykie Li, Timbaland, Robyn und Missy Elliott gelernt hat. Vor allem aber zeigt er, dass auch in dancefloor- und radiotauglichen Liedern eine intime und intensive Auseinandersetzung möglich ist – mit den eigenen und mit gesellschaftlichen Erwartungen an zwischenmenschliche Bindungen und vermeintlich geschlechtertypisches Verhalten.

„wie ein queerer Coming-of-Age-Kurzfilm“

Asbjørn über seine „The Boyology Series“ auf Youtube

Asbjørn glaubte diese Erwartungen längst überwunden zu haben, aber musste dann zu seiner eigenen Überraschung feststellen, dass er seinen Liebesschmerz „auf diese super stereotypische Art und Weise unterdrückte“. Für ihn war diese Erkenntnis ein Ausschlag für dieses Album. Und dass es ihm in Sachen Liebe zu Männern zieht, steht bei ihm außer Zweifel. Seine Videos, wie auch jene zu den beiden ersten Alben, sind unmissverständlich und offenherzig. Aus dem neuen Album hat Asbjørn drei Songs ausgewählt und dazu Videos produziert, die sich, wie er selbst sagt, „wie ein queerer Coming-of-Age-Kurzfilm“ anfühlen sollen. Diese „The Boyology Series“ ist auf YouTube zu sehen.

Das neue Album von Asbjørn: „Boyology“ ist erschienen bei Embassy of Music.

Offizielle Webseite von Asbjørn:

https://www.asbjornmusic.com/

Asbjørn live am 8. April 2022 im Lido Berlin


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Von Axel Schock

Freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.