MARICOLANDIA

GUARI-WIN spricht für das Kollektiv MARICOLANDIA über die alltäglichen Kämpfe queerer Migrant*innen aus dem Globalen Süden in Europa. Die Rede prangert rassistische Strukturen, homonationalistische Gewalt, Ausschlüsse im Gesundheitswesen und staatliche Repression an – und ruft zum Widerstand und zur Selbstorganisation auf.
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Vorstellung des Kollektivs und seiner Arbeit

Hallo, Buenos dias, Bom dia

Ich bin GUARI, Mitbegründer des Kollektivs MARICOLANDIA, einem feministischen, antirassistischen, anti-homonationalistischen Kollektiv von Schwulen, Tunten, Effeminierten, trans Menschen und Queers, das offen ist für alle queere Menschen mit Migrationsgeschichte aus den Amerikas, der Karibik und anderen Staaten des Globalen Südens. Wir sind hauptsächlich in Paris, aber auch in Spanien, Belgien und Deutschland.

Wir leisten Basisarbeit, indem wir uns gegen die Logik der Unterdrückung und die feindseligen und fremdenfeindlichen Gesetze wehren, die überall in Europa entstehen.

Unsere Arbeit ermöglicht es queeren migrantischen Menschen, die Sprache des Landes zu lernen und unterstützt sie bei der Erlangung allgemeiner Rechte, sexueller Gesundheit (Kampf gegen HIV und STIs), Wohnraum, Arbeit usw. Unser Einsatz ist von und für uns.

Unsere Unsichtbarkeit kommt von unseren Schwierigkeiten und den wenigen materiellen Möglichkeiten, uns selbstständig und frei zu organisieren. Wir waren schon immer mit vielen Unterdrückungen konfrontiert, die mit unserem Migrationsstatus, unserer sexuellen Orientierung, unserem HIV-Status usw. zusammenhängen.

Die Unfähigkeit, die Sprachen der Länder, in denen wir uns niederlassen (Frankreich, Deutschland…), zu sprechen oder sie auf gewaltsame Weise lernen zu müssen, ist Teil dieser Schwierigkeiten. Wir müssen ohne Papiere leben oder uns in die Logik der Kategorisierung in “gute” und “schlechte Migrantinnen” einfügen, die durch die Politik der Aufenthaltsgenehmigungen in Frankreich und Deutschland entsteht. Das alles wegen einer Politik, die Migrantinnen aus dem Globalen Süden gegenüber feindselig eingestellt ist, vor allem in den letzten Jahren mit dem Aufstieg der rechten und rechtsextremen Parteien in Europa.

Konkrete Diskriminierungen und Kämpfe

Der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Arbeit wird für LGBTIQA+-Migrantinnen immer schwieriger, vor allem für diejenigen ohne Papiere. Das sieht man an den Auswirkungen, die die Anti-Migrationsgesetze und die neuesten Verordnungen (Polizeikontrollen usw.), die uns noch verletzlicher machen sollen, auf unser Leben als Migrantinnen haben.

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird nach den neuesten Migrationsbewegungen immer schwieriger, weil die Behörden uns das Leben schwer machen.

Unser Kollektiv will darauf aufmerksam machen, dass in den letzten Jahren mehrere Migrant*innen aus dem Süden (Südamerika, Afrika und Asien), die von MARICOLANDIA betreut werden, mit großen administrativen Schwierigkeiten konfrontiert waren:

● Verweigerung von Aufenthaltsgenehmigungen für Menschen mit HIV/AIDS, die aufgefordert werden, Frankreich sofort zu verlassen. Die Schwierigkeiten von HIV-positiven Migrantinnen mit oder ohne Papiere werden unerträglich. Frankreich beispielsweise verweigert ihnen Gesundheitsleistungen und schiebt sie ab, wodurch ihr Leben gefährdet wird. Unter dem Vorwand, dass es in Lateinamerika oder anderen Ländern des Südens alle Medikamente gebe. Das ist nur eine neoliberale Logik des Todes. Europa ignoriert, wie der Kapitalismus, die Neoliberalisierung und die Privatisierung des Gesundheitswesens in unseren Ländern Amerikas und der Karibik weiterhin MSM und trans Frauen töten. Viele humanitäre und soziale Organisationen sind zu Drittunternehmen des Staates geworden und sehen uns LGBTIQ+-Migrantinnen nur als Mittel, um ihre fetten Subventionen zu behalten. Heute wissen wir zudem, dass die feindselige Politik von Donald Trump den Kampf gegen HIV/AIDS ernsthaft gefährdet.
● Verweigerung von Asyl aus Gründen der Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung, gefolgt von einer Ausweisungsverfügung (OQTF), wenn diese Personen nicht in ihr Land zurückkehren können, weil sie dort ihr Leben riskieren.

Wir, die Leute von Maricolandia, sind zudem gegen das Gesetz in Frankreich, das die Kundinnen von Sexarbeiterinnen bestraft, weil es die Unsicherheit und Gewalt gegen trans Frauen und auch schwule Männer, die der Sexarbeit nachgehen, erhöht.

Was die queeren Sexarbeiterinnen aus unserer Gruppe betrifft, so verurteilen wir die faschistischen (Grenz-)Kontrollen, wenn wir zwischen Frankreich, Belgien und Deutschland wegen der Arbeit pendeln. Viele unserer Freundinnen wurden in Abschiebehaft in Frankreich und Deutschland gesteckt, wo sie schrecklich hurenfeindlich und ausländer*innenfeindlich behandelt werden und von wo sie in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden sollen. NO ONE IS ILLEGAL! Und Sexarbeit ist Arbeit!

Aufruf zum Widerstand und zur Hoffnung

Wir verurteilen auch die Art und Weise, wie wir lateinamerikanische und südamerikanische Queers von vielen (homonationalistischen) weißen cis Schwulen wahrgenommen werden und durch sie Gewalt erleben. Sie exotisieren uns und üben Gewalt gegen uns aus, indem sie ihre Machtpositionen gegen uns ausnutzen. Wir verurteilen dies, weil wir uns gegen die weiße, koloniale Logik des Homonationalismus und der Homonormativität gegenüber uns wehren. Wir verurteilen das, weil es die Körper und Leben von queeren Migrantinnen, sind, die von ihrer neoliberalen Logik und der Banalisierung des Chemsex-Konsums in unserer Community von queeren Migrantinnen stark betroffen sind, weil wir vom öffentlichen Gesundheitssystem ausgeschlossen sind und keinen schnellen Zugang zu allgemeinen Rechten haben.

Wir bleiben hoffnungsvoll, denn seit 2017 ist Maricolandia ein Kollektiv das von und für uns schwule, tuntige, effeminierte, trans und queere Migrantinnen geleitet wird. Wir sind hauptsächlich in Paris, aber wir haben viele Freundinnen, die nach Deutschland reisen, um dort unter schrecklichen und gewalttätigen Bedingungen (z. B. Polizeigewalt) der Sexarbeit nachzugehen. Wir laden alle unsere trans, lesbischen und schwulen Freund*innen ein, nicht länger zu schweigen und sich zu organisieren, um der strukturellen Gewalt in Frankreich, Deutschland, Belgien und ganz Europa entgegenzutreten.

Wir halten zusammen und hoffen, dass bessere Zeiten für unsere LGBTQIA+-Communities auf der ganzen Welt kommen werden.