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Gesundheit & Safer Sex

Interview: Lutz hat MPX („Affenpocken“)

Lutz hat sich im Mai 2022 mit MPXV (dem „Affenpocken“-Virus) infiziert. Wie es ihm geht und wie er die aktuelle Debatte erlebt, darüber haben wir mit ihm gesprochen.

Lutz, wie geht es dir?

Momentan, elf Tage nach den Frühsymptomen geht es mir wieder gut, ich bin fast genesen. Schon am dritten Tag fühlte ich mich besser, zum Glück ging es bei mir schnell vorbei.

Du bist der erste MPX-, also „Affenpocken“-Fall im Rhein-Erft-Kreis. Wie hast du gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

In der Nacht des 25. Mai, fünf Tage nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub in Maspalomas, traten die Symptome auf: Lymphknotenschwellung in der Leistengegend, 39 Grad Fieber und eine Pocke im Genitalbereich. In meinem Fall hat es etwa zwei Wochen ab der vermuteten Ansteckung auf Gran Canaria gedauert, bis die ersten Symptome auftraten. Mir wurde klar, dass es sich um MPX, also „Affenpocken“ handelte, weil ein Bekannter von mir – den ich zufällig im Urlaub traf – drei Tage vor mir positiv getestet wurde. Er erzählte mir von den Symptomen und riet mir, nach etwas Ähnlichem zu achten. Als ich also die gleichen Symptome hatte, ging ich direkt in die Notaufnahme der Uniklinik Köln, die einen Pockenabstrich und eine PCR durchführten. Am Freitag, dem 27. Mai, bekam ich dann den Anruf, dass ich positiv getestet wurde.

Magst du erzählen, wie du dich infiziert hast?

Wahrscheinlich auf dem Maspalomas Pride. Ich habe meinen deutschen Bekannten zufällig auf einer Party dort getroffen. Da hatten wir beide engen Körperkontakt, aber auch danach mit anderen auf privaten Sexpartys. Es waren viele Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern dabei. Darunter auch ein Berliner, der sich ebenso in Maspalomas infizierte.

Wie verlief deine Infektion denn?

Das Fieber ging in zwei Tagen schnell weg, aber die Schwellung der Lymphknoten hielt eine Woche lang an. Jetzt sind sie nur noch ganz leicht geschwollen, nicht mehr so stark wie früher. Ich hatte vier Pocken, eine im Genitalbereich, eine auf meinem rechten Oberarm, eine auf dem Po und die vierte auf dem Kopf unter meinen Haaren. Am Anfang sahen sie wie normale Pickel aus, danach hatten sie eine weißliche Kruste mit Flüssigkeit darin, etwa einen Zentimeter groß. Inzwischen sind drei davon kaum noch zu sehen. Die im Genitalbereich wird noch einige Zeit brauchen, um zu verschwinden. Ich musste keine Medikamente einnehmen, sie heilen von alleine ab.

„21 Tage Isolation sind sehr hart für mich.“

Es hört sich hart an, allein in der Isolation mit einem Virus, das nur wenige Menschen in Deutschland haben.

Ich habe aber keine Angst vor der Krankheit, denn zum Glück habe ich einen sehr milden Verlauf. Jedoch sind 21 Tage Isolation sehr hart für mich. Ich fühle mich in dieser Zeit sehr einsam und allein: schreibe und telefoniere viel mit Freund*innen, Familie und Bekannten. Das hilft mir.

Und wie war die Kommunikation mit dem Gesundheitsamt?

Gleich nach meinem positiven Testergebnis am 27. Mai rief mich das Gesundheitsamt an und teilte mir mit, dass ich für mindestens 21 Tage in Quarantäne gehen muss. Sie fragten auch nach den Kontaktpersonen. Außerdem rufen sie mich regelmäßig an und fragen nach der Entwicklung der Symptome. Bei mir endet die Quarantäne automatisch, wenn alles abgeheilt ist, ohne dass ich noch einmal vom Arzt untersucht werden muss, aber hier gehen die Gesundheitsämter unterschiedlich vor.

„Ich glaube, dass es durch die Kontakte immer wieder Einzelfälle geben könnte, aber nicht zur Pandemie kommen wird.“

Glaubst du, dass es einen Ausbruch in Deutschland geben könnte?

Das Virus ist überhaupt nicht leicht übertragbar, man muss sich schon Mühe geben: Wir hatten sehr engen Körperkontakt. Ich glaube, dass es durch die Kontakte immer wieder Einzelfälle geben könnte, aber nicht zur Pandemie kommen wird.

„Dass wir stark betroffen sind, ist richtig, aber von einer Risikogruppe zu sprechen, gefällt mir nicht.“

In den Medien werden einige Ausdrücke verwendet, die Stigmatisierung und Diskriminierung schwuler und bisexueller Männer fördern könnten. Wie nimmst du diese Diskussion jetzt wahr?

Sie ist teilweise stigmatisierend. Es ist klar, dass bei MPX mehr Schwule betroffen sind, aber es kann jeden treffen. Die Aufklärung, dass wir stark betroffen sind, ist richtig, aber von einer Risikogruppe zu sprechen, gefällt mir nicht. Der Sprachgebrauch erinnert stark an die 80er-Jahre, als HIV ausbrach und es sehr stigmatisierende Medienberichte gab. Wörter wie Risikogruppe sollten umformuliert und durch z.B „häufig betroffene Menschen” ersetzt werden.

Wie reagieren die Menschen um dich herum? Helfen sie dir gerne oder hast du das Gefühl, dass es Vorurteile oder Ängste gibt?

Mein Umfeld hat total cool reagiert und mir sofort Hilfe zum Beispiel beim Einkaufen angeboten. Ängste oder Vorurteile habe ich nicht gemerkt.

„Es bringt nichts, beim Sex Angst zu haben. Angst nimmt einem den Spaß an Sex. Ich habe sehr gerne Spaß!“

Mit dem, was du jetzt weißt und erlebst: Hättest du deinen Maspalomas-Urlaub anders machen wollen?

Ich hätte den Urlaub nicht anders verbracht und genauso gemacht. Es bringt nichts, beim Sex Angst zu haben. Es kann immer passieren, dass man sich mit etwas ansteckt. Angst nimmt einem den Spaß an Sex. Ich habe sehr gerne Spaß! 

Was sollte jetzt getan werden?

Achtet auf die Verbreitung, betreibt Aufklärung! Ich zum Beispiel bekam die Symptome alle auf einmal. Aber bei meinem Bekannten kamen sie nach und nach. Die Symptome können also von Person zu Person abweichen. Man sollte in jedem Fall auf Symptome achten und sich testen lassen, wenn ein Verdacht entsteht. Außerdem ist es natürlich wichtig, Testkapazitäten aufzubauen.

Weitere Infos zu MPX („Affenpocken“)
MPX-Infos bei IWWIT: https://www.iwwit.de/affenpocken

MPX („Affenpocken“): Zahl der Fälle steigt, Impfung kommt

MPX-Infos bei der Deutschen Aidshilfe: https://www.aidshilfe.de/affenpocken

STIKO gibt Empfehlung zur Impfung gegen MPX („Affenpocken“) in die Abstimmung

Von Manu Abdo

Manu Abdo (er, he) lebt in Berlin und ist ägyptische Journalistin mit Schwerpunkt auf LSBTQIA+ Themen.