Pride Rebellion

Pride Rebellion ruft beim CSD Berlin 2025 zu kollektivem Widerstand gegen Faschismus, Stigmatisierung und staatliche Gewalt auf. Die kämpferische Rede erinnert an Stonewall, AIDS, Polizeigewalt und fordert queere, migrantische und unterdrückte Communities zum gemeinsamen Handeln auf.

Der Geist von Stonewall lebt – unser Kampf geht weiter

Erinnerung ist Widerstand

„Liebe Berliner*innen und liebe Teilnehmende des CSDs
wir stehen heute hier, um den Geist von Stonewall lebendig zu halten – nicht als bloßes Gedenken, sondern weil wir immer noch die Dringlichkeit erkennen, uns als LGBTI+ gegen dieses unterdrückerische System kollektiv zu wehren!
Vor 56 Jahren erhoben sich Schwarze trans Frauen, Latinas und obdachlose jugendliche LGBTI+ in New York vor dem Stonewall Inn gegen die Schikanen der Polizei und versuchten, die Ketten staatlicher Unterdrückung zu sprengen. Dieser Aufstand war kein buntes Fest, sondern eine Explosion des Zorns gegen ein System, das uns ausgrenzt, angreift und ermordet!

Aus der Krise geboren – unsere Kämpfe damals und heute

Ein Jahrzehnt später brach die AIDS-Pandemie aus. Freunde und Angehörige besuchten eine Trauerfeier nach der anderen um ihre Liebsten zu begraben. Und warum? Weil sich das Gesundheitssystem einen Dreck um sie geschert hat und als kranke Homosexuelle abstempelte.
Damals schon war kein Verlass auf einen Staat, der in erster Linie dafür verantwortlich war, dass LGBTI+ an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Schlussendlich sind unsere Geschwister durch staatliche Mitschuld gestorben, durch Stigmatisierung, Hass, Unterversorgung und Verdrängung aus der Gesellschaft. LGBTI+ Personen nahmen schließlich die Probleme selbst in die Hand: Lesben organisierten Blutspenden, Kollektive für Versorgung wurden gegründet und es fanden kämpferische Proteste gegen das fahrlässige Sterbenlassen von AIDS-Erkrankten statt. Die vielen Tausend und Abertausend Geschwister die wir in diesen Jahren verloren haben, leben heute weiter in unserem Kampf für ein gerechtes Leben, für Selbstbestimmung und Freiheit. Der Weg, auf dem wir jetzt gehen, wurde durch ihre Errungenschaften geebnet.

Faschistische Gewalt: Die Bedrohung ist real

Wir blicken nun zurück auf mehrere Jahrzehnte, in denen das Leben für LGBTI+ in Deutschland und Europa aufgrund dieser politischen und gesellschaftlichen Kämpfe ein wenig besser, ein wenig erträglicher geworden ist. Wir blicken auf ein Minimum von gesellschaftlicher Akzeptanz, in Form von der Ehe für Alle und einem Selbstbestimmungsgesetz. Dieser gesellschaftliche Zustand ist heute so bedroht wie lange nicht mehr.
Seit letztem Jahr wird gegen unsere CSDs bundesweit von Faschisten mobilisiert, Umzüge müssen aufgrund dieser Bedrohungslage abgesagt werden und Faschisten greifen unsere Veranstaltungen direkt an, wie zuletzt in Bad Freienwalde, wo Faschos mit Schlagstöcken durch das queere Straßenfest rannten. Bei diesem Angriff reagierte nicht die Polizei, sondern wie so oft Antifaschist*innen und mutige LGBTI+ Personen, die dazwischen gingen und Schlimmeres verhinderten.
Ein Blick auf die internationale Lage zeigt uns ein ähnliches Bild: Die tätlichen Angriffe auf uns LGBTI+ nehmen zu. Gleichzeitig wird unsere körperliche und politische Selbstbestimmung seitens des Staates immer mehr eingeschränkt.
Erst vor ein paar Monaten wurde das lang erforderte Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet, doch die neue rechtskonservative Regierung unter Friedrich Merz zeigt uns, wie es genauso schnell wieder reevaluiert oder abgeschafft werden kann.
In den USA wird trans Menschen ihre Existenz abgesprochen und jegliche Finanzierung für LGBTI+ Versorgung abgeschnitten um das Geld dann für rassistische, abgegrenzte Konzentrationsgefängnisse auszugeben.
Darunter leiden nicht nur die Menschen in den USA, sondern auch Länder der Subsahara, die auf Förderprogramme der USA wie PEPFAR zur AIDS-Prävention angewiesen sind.
In Ungarn wurde die Pride unter der faschistischen Regierung verboten, doch 200.000 LGBTI+ nahmen sich daraufhin erst Recht die Straße. Nehmen wir uns ein Beispiel an ihrem Mut!
Der aufsteigende Faschismus in Deutschland ist eine Realität, genauso wie in vielen anderen Ländern. Kürzungen von sozialen Projekten und Gesundheitsversorgung, steigende patriarchale und heterosexistische Gewalt und eine fortschreitende Verrohung der Gesellschaft, die Einschränkung unserer Selbstbestimmung und der staatliche Rassismus, der neue Ausmaße annimmt – all diese Entwicklungen gehen Hand in Hand.
Migrant*innen und LGBTI+ sind die beiden zentralen Feindbilder dieses neuen Faschismus, ob in Europa oder den USA. Wir sind diejenigen, die die Auswirkungen dieser rechten Politik als erstes zu spüren bekommen, ganz unten in ihrer verdammten Nahrungskette.

Zur gleichen Zeit rüstet Deutschland auf und zahlreiche Staaten bereiten sich auf einen Krieg in Europa vor, der an anderen Orten der Welt längst tobt. Und währenddessen versucht man uns hier noch weiszumachen, dass wir in Europa befreit leben könnten.
Aber wir wissen:
Wenn die Bundeswehr sich mit Regenbögen schmückt um uns den Krieg schmackhaft zu machen, ist das keine Befreiung.
Wenn queere Projekte gekürzt werden, um mehr Geld für die Aufrüstung ausgeben zu können, ist das keine Befreiung.
Wenn in unseren Kiezen neue Arbeitsplätze in Munitionsfabriken geschaffen werden, ist das keine Befreiung.
Und wenn die Polizei regelmäßig unsere migrantischen Geschwister von der Straße prügelt, dann passiert das nicht in unserem Namen als LGBTI+.
Während die faschistischen Angriffe auf CSDs weiter zunehmen werden die bürgerlichen Parteien und Großkonzerne auf unseren Demos weniger werden. Aber es reicht nicht, sich erst gegen eine kapitalistische Vereinnahmung des CSDs und nun die Feigheit jener zu erheben, die sich mit Regenbogenfahnen geschmückt haben. Die jetzigen Geschehen erfordern von uns direktes Handeln.
Heute, liebe Berliner*innen, liebe Genoss*innen und Geschwister, heute ist die Zeit, wo wir als LGBTI+ Personen wieder zu einer gesellschaftlichen Kraft werden müssen. Das bedeutet, wir müssen wieder anfangen, uns unter politischen Forderungen zu vereinen, und bereit sein, unsere erkämpften Rechte und unsere Selbstbestimmung zu verteidigen, genauso wie wir uns auf der Straße gegen einen homophoben Angriff verteidigen würden.
Wir müssen uns verbünden, als LGBTI+ in kämpferischen Organisationen vereinen und unseren CSD wütend und entschlossen begehen um ihn verteidigen zu können.
Wir haben einen Feind, den wir uns nicht ausgesucht haben, aber der nie weg war – das ist der Faschismus.
In diesen Zeiten dürfen wir uns nicht mehr spalten lassen. Wir müssen Bündnisse schmieden und gemeinsam solidarisch auf die Straße gehen mit Migrant*innen und Geflüchteten Menschen, die unter dem staatlichen Rassismus leiden und tagtäglich Abschiebung fürchten. Mit allen Frauen, die wie wir unter dem verdammten Patriarchat leiden und die wie wir um die Selbstbestimmung über ihre Körper kämpfen müssen.
Arme, Arbeiter*innen, Abgehängte dieser Gesellschaft, die täglich buckeln oder keinen Job finden, und in allererster Linie Jugendliche, denn unsere Zukunft steht auf dem Spiel – der absolute Großteil dieser Gesellschaft profitiert nicht vom Faschismus sondern wird darunter leiden, auf die eine oder andere Art. Es ist die Aufgabe von uns allen, gegen diese Verhältnisse aufzustehen und uns zu wehren.
Der Kampf um ein befreites Leben, um ein Leben in Gesundheit, Frieden und Freiheit und ohne Hass und Ausgrenzung ist ein Kampf, den wir Hand in Hand mit allen Unterdrückten führen müssen. Es ist der Kampf für eine gerechte Welt, für eine befreite Gesellschaft, ohne Klassenunterdrückung und ohne Patriarchat. So eine Welt ist möglich, wenn wir den Weg dahin zusammen bestreiten.“

Website: Pride Rebellion

Instagram: Pride Rebellion