Bei einem Film mit dem Titel „Sauna“ darf man zu Recht schnellen, unverbindlichen Sex erwarten. Doch den norwegischen Regisseur Mathias Broe interessiert auch, welche Bedürfnisse dabei unbefriedigt bleiben – und wie man mit einer Männerbeziehung selbst in der queeren Community anecken kann.
Mehr als Sex in der gay sauna
Diffuses Licht, das die Körper lediglich erahnen lässt, schafft eine schummrige Atmosphäre. In Johans Leben scheint es niemals hell zu sein. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die ersten Szenen. Wo wir uns befinden, das wird – zumindest der kundigen Zuschauerschaft – durch den Sound klar. Stöhnen, keuchen, lautes Atmen. Geräusche, wie sie in jedem x-beliebigen Darkroom zu hören sind. Schweiß, Poppers und Gleitgel kann man förmlich riechen. Ob ein Quickie im Keller der Schwulenbar, in der Kabine der Sauna oder der Fick mit einem Grindr-Date – Johan (Magnus Juhl Andersen) lebt seine Sexualität in vollen Zügen aus. Und sogar sein Arbeitsplatz ist ganz und gar davon bestimmt, denn der junge selbstbewusste Mann aus der norwegischen Provinz jobbt in Kopenhagens einziger schwuler Sauna „Adonis“. Dort gibt er am Empfang Handtücher aus, stopft gebrauchte in die Waschmaschine und putzt am Morgen die Spermaspuren der vergangenen Nacht von der Gloryhole-Wand.
Johan zwischen Darkroom und gay sauna
Doch so paradiesisch und verheißungsvoll sich diese hypersexualisierte Welt für viele auch anhören mag: Johan spürt, dass diese endlos aneinandergereihten, austauschbaren Sexdates letztlich bedeutungslos sind und deshalb eine unbestimmte Leere hinterlassen. Immer wieder scrollt er durch das Angebot der Dating-Apps auf der Suche nach dem nächsten Kerl, dem nächsten Kick. „Auf Grindr wirst du keine Freunde finden“, sagt sein Arbeitskollege in der Sauna.
Wie die gay sauna zur Bühne wird
Regisseur Mathias Broe, der auch am Drehbuch mitgearbeitet hat (eine Adaption eines Romans von Mads Ananda Lodahl), skizziert dieses Dilemma in wenigen, aber umso prägnanteren Momentaufnahmen. Weder bewertet noch überdramatisiert er diesen von Sex bestimmten Lebensstil, noch setzt er ihn provokant in Szene. Stattdessen schildert er in diesem ersten Kapitel seines Spielfilmdebüts ein Lebensgefühl und eine Lebenswelt, wie sie sehr vielen schwulen Männern bekannt vorkommen dürfte. Und wahrscheinlich kann auch nur ein queerer Regisseur so beiläufig und selbstverständlich eine Analdusche in eine Handlung einbauen oder das Schmatzgeräusch von Gleitgel einfangen.
Liebe statt anonymer Treffen in der gay sauna
Mit dem nächsten Online-Date aber ändert sich fast alles in Johans Leben. Der junge Mann mit Namen William, der vor seiner Wohnungstür steht, ist etwas unsicher und schüchtern, aber ganz süß dabei. Als sich die beiden dann doch körperlich näherkommen, bittet William ihn, ihm nicht an die Brust zu fassen. Ein Moment der Irritation, dann wird Johan klar: sein Date ist ein Trans-Mann. Hätte er eigentlich wissen können, wenn er sich für seine Sexpartner wirklich interessierte und das Datingprofil tatsächlich auch gelesen hätte. Johan überwindet seine anfängliche Unsicherheit und bittet William (gespielt von der transTrans (kurz für transgeschlechtlich oder transident) beschreibt Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ih... Mehr Schauspieler*in Nina Terese Rask) zu bleiben. Etwas fasziniert ihn an William, er spürt eine Nähe und wachsende Vertrautheit, wie er sie bei seinen bisherigen Sexdates nicht erlebt – oder vielleicht auch gar nicht zugelassen hat.
Wie sich aus dieser eigentlich als One-Night-Stand geplanten Begegnung eine innige Romanze entwickelt, erzählt Mathias Broe ganz aus der Warte Johans. Der ist gleichermaßen berauscht und überfordert von seinen Gefühlen. Die Sexszenen sind voller Leidenschaft, explizit und zugleich zurückhaltend. Für Johan eröffnet sich aber auch in anderer Hinsicht eine neue Welt. Da sind Willams frustrierender und demütigender Kampf mit den Behörden um Zugang zu angleichenden Operationen und Hormonen. Und da sind Williams queerer Freundeskreis und ihr unterstützendes Miteinander, wie auch deren Locations und Partys, die sich doch sehr deutlich von den schwulen Cruisingorten unterscheiden, die Johan bislang vor allem frequentiert hat.
Grenzen der Toleranz in der gay sauna
Doch dieser Clash der Kulturen und sexuellen Identitäten verläuft nicht so reibungslos, wie sich Johan das in seiner Verliebtheit gedacht hat. In der Sauna ist William als Gast nicht gewünscht und fliegt hochkant raus. Mit „Man only“ sind hier eben nur Cis-Männer gemeint. Doch nicht nur an seinem Arbeitsplatz und in seinem Bekanntenkreis stößt Johans Liaison auf Unverständnis bis hin zu direkter Ablehnung. Auch er selbst gerät im Austarieren dieser Beziehung an seine Grenzen. Eine klassische Love-Story mit kitschigem Happy End darf man hier nicht erwarten. Das würde auch der realistischen Herangehensweise von Regisseur Mathias Broe widersprechen, der mit „Sauna“ auf unaufgeregte Weise auch die fragile Toleranz innerhalb der queeren Szene und deren Debatten spiegelt.
Die Community, sagt Broe, sei ständigen und vielfältigen politischen Angriffen von rechts ausgesetzt. „Umso wichtiger ist es für ihn “eine nachvollziehbare Geschichte über Liebe zu erzählen und gleichzeitig die spezifischen Facetten queerer Erfahrungen aufzuzeigen, um hoffentlich zu einem besseren Verständnis beizutragen.“
Dass dies selbst zwei Menschen schwierig fallen kann, die scheinbar füreinander geschaffen sind, die sich begehren und lieben können, gelingt den beiden Hauptdarsteller:innen sehr authentisch und eindrücklich zu vermitteln. Aber vielleicht müssen William und Johan erst für sich selbst klären, wer sie eigentlich sind, und was sie für sich und ihr Leben wünschen. Ob es für die beiden dennoch ein Happy End geben kann? Mathias Broe lässt das zum Glück offen. Die Wirklichkeit ist eben doch meist komplexer und komplizierter, als uns das schlichter gestrickte Wohlfühlfilme vermitteln wollen.
„Sauna“. Regie Mathias Broe. Mit Magnus Juhl Andersen, Nina Terese Rask, Dilan Amin. DK 2025, dänisch-schwedische OF mit deutschen UT.
Ab Anfang November in der Queerfilmnacht. Regulärer Kinostart: 20. November.
Link zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=skc7j4iG1rI