Ein Erfahrungsbericht einer trans Frau über Selbstbestimmung, Vertrauen und Solidarität
Bevor ich überhaupt mit PrEP angefangen habe, wollte ich verstehen, was diese Tablette eigentlich macht. PrEP schützt den Körper vor einer möglichen HIV Infektion. Das Medikament blockiert das Virus, bevor es sich im Körper einnisten kann. Es ist keine Garantie, aber eine wirksame Vorsorge.
Medizinischer Start mit PrEP: HIV-Tests, Werte und Verantwortung
Bevor ich angefangen habe, wurden meine Blutwerte kontrolliert, HIV Test, Nieren und Leberwerte, Hormone. Ich erinnere mich an das Warten auf die Ergebnisse. Dieses stille Zittern zwischen Hoffnung und Angst. Die Werte waren unauffällig. Kreatinin 0.81, GFR über 60, also stabile Nierenfunktion. Leber unauffällig. Hormone im Zielbereich, Estradiol 141, Testosteron 1.80. Kein Hinweis auf Infektionen. Alles im grünen Bereich. Ich war bereit. Bereit, Verantwortung zu übernehmen, für mich selbst, für meinen Körper, für die Menschen, mit denen ich Nähe teile.
Alltag mit PrEP: Routine, Emotionen und Selbstbestimmung
Ich habe PrEP einen Monat lang jeden Tag genommen. Ohne Ausnahme. Keine Tablette vergessen. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, nicht nur medizinisch, sondern emotional. Als trans Frau, die ohnehin täglich Hormone nimmt, war das nichts Neues. Medikamente gehören zu meinem Alltag. Aber PrEP war anders. Kein Teil meiner Transition, kein Schritt nach außen. Sondern etwas nach innen. Etwas, das mit Vertrauen zu tun hat. Die Tabletten sind groß. Ehrlich, das war anfangs eine kleine Überwindung. Ich hab tief durchgeatmet, geschluckt und irgendwann wurde es Routine.
Etwas ganz Eigenes. Ich habe so oft erlebt, dass andere über meinen Körper entscheiden wollten. Ärzt*innen, Gutachter*innen, Behörden. Mit PrEP war das zum ersten Mal wieder meine Entscheidung. Mein Körper, mein Schutz, mein Vertrauen. Mein Körper war so lange ein politisches Terrain. Mit PrEP wurde er ein sicherer Ort. Für mich. Und für andere. Körperlich hat sich kaum etwas verändert. Nur Kopfschmerzen, ab und zu. Vielleicht lag es am Wetter, vielleicht am Medikament. Ich weiß es nicht. Aber das Entscheidende war nicht körperlich. Es war etwas anderes. Etwas Emotionales.
Nähe und Fürsorge: Wie PrEP Sicherheit in Beziehungen schafft
Ich habe keine Berührungsängste mit Menschen, die HIV positiv sind. Früher vielleicht, ja. Ich bin in einer Welt groß geworden, in der HIV mit Angst verknüpft war. Mit Schuld, mit Stigma. Aber das ist lange her. Ich habe Menschen kennengelernt, zugehört und gelernt.. Besonders im Sexwork Bereich, wo Vertrauen, Schutz und Verantwortung so eng miteinander verwoben sind. PrEP hat dieses Gefühl verändert. Es hat mir Sicherheit gegeben. Nicht nur für mich selbst, sondern auch für die Menschen, mit denen ich intim war. Wenn man Menschen wirklich mitdenkt, wenn man ihre Sicherheit genauso ernst nimmt wie die eigene, dann verändert sich Nähe. PrEP verringert nicht nur das Risiko einer Infektion. Es nimmt etwas von dieser Schwere, die auf Intimität liegt. Und das ist vielleicht die eigentliche Prävention.
Arbeit und Risiko: Warum viele trans Frauen PrEP brauchen
Viele trans Frauen Weltweit sind im Sexwork, und das ist kein Zufall. Diskriminierung, Armut, Ablehnung auf dem Arbeitsmarkt, fehlende Dokumente, fehlende Sicherheit, Unsichtbarkeit, Anti-Trans Gesetze. All das drängt viele in Bereiche, die andere meiden. Und gleichzeitig sind genau diese Räume oft die einzigen, in denen trans Frauen gesehen werden, begehrt, aber nicht immer respektiert. PrEP hat in dieser Realität eine andere Bedeutung. Sie ist nicht bloß Schutz vor einem Virus. Sie ist Schutz vor einem System, das uns ständig als Risiko definiert. Wenn die Gesellschaft einem sagt, du bist gefährlich, dann wird Selbstschutz zu einer Form von Würde. Zu einer Form von Widerstand.
Zugang und Versorgung: Hürden im Gesundheitssystem für trans Frauen
Ich habe Kolleg*innen gesehen, die in dieser Unsicherheit leben. Viele wollen sich schützen, wissen aber nicht, wo sie PrEP bekommen, oder trauen Ärzt*innen nicht, weil sie zu oft spüren, dass sie dort nicht gemeint sind. Dabei sind sie es, die PrEP am meisten brauchen. Und am wenigsten bekommen. Ich musste mir nicht nur mein Geschlecht erkämpfen, sondern auch meinen Zugang zu Schutz. Mein erster Arztbesuch für PrEP war freundlich, aber unbeholfen. Er wusste nicht, was er mit mir anfangen sollte. Fragte, ob ich trotz Hormonen Sex mit Männern habe. „Männern“. Ob das überhaupt nötig sei. Ich musste erklären, dass Schutz nichts mit Identität zu tun hat. Es geht um Leben, um Fürsorge.
Viele trans Frauen haben keine Ärzt*innen, die sie ernst nehmen. Sie müssen sich ihre Gesundheitsversorgung selbst zusammenbauen, mit Wissen aus der Community, mit gegenseitiger Unterstützung. PrEP wird so auch ein Symbol. Ein Ausdruck kollektiver Fürsorge in einer Gesellschaft, die uns oft sich selbst überlässt. Mein jetziger Arzt ist da ganz anders. Er ist sehr aufgeklärt, sehr sensibel, fragend und nicht übergriffig. Abgesehen davon, dass ich dort auch meine Hormonbehandlung bekomme. Die Praxis selbst ist queer und trans, und das merkt man. Man spürt, dass man da nicht Patientin zweiter oder gar keiner Klasse ist. Kleine ungesponserte Schleichwerbung. ViRo Schillerkiez. Danke fürs einfach normal sein.
Mehr als Medizin: PrEP als Selbstbestimmung, Solidarität und Fürsorge
Trans Frauen werden in der Medizin oft als Risiko betrachtet. Als Statistik. Als Kategorie. Aber selten als Menschen, die Verantwortung übernehmen, die Fürsorge leben, die sich schützen und gleichzeitig andere mitdenken. Wenn eine trans Frau PrEP nimmt, ist das nicht nur medizinisch. Es ist auch politisch. Es ist ein Ich bestimme über meinen Körper. Ich nehme mir, was mir zusteht. Ich schütze mich, weil ich leben will. Nicht, weil ich ein Risiko bin. Ich weiß, dass viele trans Frauen mit HIV leben. Und dass dieses Thema in unserer Community oft verschwiegen wird. Es gibt so viele, die doppelt stigmatisiert werden.
Für ihr Geschlecht. Für ihren HIV Status. HIV positiv und trans zu sein schließt sich nicht aus. Es heißt nur, dass man doppelt gegen Vorurteile ankämpfen muss. Ich bin HIV negativ, aber ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn der eigene Körper als Risiko gesehen wird. Vielleicht verstehe ich deshalb, wie viel Liebe in dieser kleinen Pille steckt. Für mich ist PrEP auch ein Zeichen von Solidarität. Ein Ich sehe dich. Ein Ich will, dass du dich sicher fühlst. Ich hatte nie Angst vor HIV positiven Menschen. Aber ich kenne die Angst vor der eigenen Verletzlichkeit. Und PrEP hat mir geholfen, diese Angst in Vertrauen zu verwandeln.
PrEP politisch gedacht: Sichtbarkeit, Selbstbestimmung und Präventionskultur
Ich denke oft darüber nach, wie PrEP politisch gelesen wird. Für cis schwule Männer war sie ein Befreiungsschritt, ein Symbol sexueller Selbstbestimmung. Für trans Frauen ist sie das auch, aber auf einer anderen Ebene. Sie ist nicht nur Schutz, sondern Sichtbarkeit. Wir sind Teil dieser Präventionskultur, auch wenn wir in Studien oft fehlen. Ich wünsche mir, dass man uns nicht nur als Risikogruppe sieht, sondern als Menschen, die Verantwortung tragen. Dass unsere Geschichten über Fürsorge, Liebe und Vertrauen genauso erzählt werden wie unsere Statistiken.
Ich sehe PrEP als Teil einer größeren Bewegung. Einer, die sagt, dass Fürsorge radikal sein kann. Dass Sicherheit kein Privileg sein sollte. Und dass Solidarität manchmal in einer kleinen blauen Tablette beginnt. Ich denke heute oft daran, wie viel ich meinem Körper abverlangt habe. Wie viel er ausgehalten hat. Und dass ich ihm dafür endlich etwas zurückgeben wollte. Vielleicht ist das der wahre Grund, warum ich PrEP genommen habe. Nicht nur, um mich zu schützen, sondern um mich zu halten. Mir selbst näher zu kommen.
FAQ zu PrEP
Dieser FAQ-Bereich bündelt Antworten zu PrEP für trans Frau: Wirkung gegen HIV, Einnahme, Verträglichkeit, Zugang und wie Prävention Selbstbestimmung und Fürsorge stärkt.
PrEP ist eine vorbeugende Medikamenteneinnahme, die das Risiko einer HIV-Infektion stark senkt, wenn sie korrekt eingenommen wird. Sie ersetzt keine Kondome und schützt nicht vor anderen STI.
Vor dem Start gehören ein aktueller HIV-Test, Nierenwerte und weitere Basischecks in eine ärztliche Abklärung. Danach erfolgen regelmäßige Kontrollen und Testungen auf STI in vereinbarten Abständen.
Viele Menschen vertragen PrEP gut. Zu Beginn können vorübergehend Kopfschmerzen, Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Bei anhaltenden oder starken Beschwerden sollte die behandelnde Praxis kontaktiert werden.
PrEP gilt in der Regel als kombinierbar mit einer feminisierenden Hormontherapie. Dennoch sind individuelle Unterschiede möglich; regelmäßige medizinische Kontrollen sind wichtig.
Anlaufstellen sind HIV-Schwerpunktpraxen, Checkpoints, Aidshilfen und queer-freundliche Haus- oder Fachärztinnen und -ärzte. Dort erhältst du Beratung, Tests und die laufende Begleitung.
Über die Autorin Joelina Yavaş
Joelina Yavaş ist trans Frau, Autorin und queer muslimische Aktivistin. In ihren Texten schreibt sie über Körper, Verletzlichkeit und Selbstbestimmung und über die Wege, auf denen trans und mehrfach marginalisierte Menschen sich Räume von Sicherheit und Nähe zurückholen.
Bluesky: https://bsky.app/profile/drjoelina.bsky.social
Instaprofil: @drjoelina und das öffentliche: @joelina_j
Mein Block – Trans & trotzig: https://ko-fi.com/joelina
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