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Mein Weg aus der Dunkelheit einer schwulen Missbrauchsbeziehung

Queerer Kampf gegen unsichtbare Fesseln: Unseren Autor quälten plötzlich Depressionen. Und er wusste nicht warum. Bis seine engste Freundin den Verdacht hatte, dass sein Partner ein Narzisst ist. Die Geschichte eines traumatischen Befreiungskampfes.

So schützt du dich

Privilegien sind ein gesellschaftlicher Ausdruck von Narzissmus (…). Rassismus, Sexismus, Klassismus, Heterosexismus, Behindertenfeindlichkeit, Altersdiskriminierung und alle anderen Ismen sind allesamt Formen von Gaslighting – die Realität anderer anzuzweifeln und zu diffamieren, sie an sich selbst zweifeln zu lassen und so die Macht zu bewahren.18

Ramani Durvasula

Menschen mit einem hohen D-Wert richten unvorstellbare Schäden an der Welt an. Wir alle sind davon betroffen. Auch marginalisierte Menschen, wie LGBTQIA+. Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass Untersuchungen sozialer Ungleichkeit, von Intersektionalität, Macht und (Mehrfach-)Diskriminierungen neben Faktoren wie Geschlecht, Hautfarbe, sexuelle und geschlechtliche Identität, Herkunft oder Behinderung auch die Persönlichkeit mit in den Blick nehmen müssen. Denn wie ich beschrieben habe, ist die Persönlichkeit mit Prozessen der Macht verbunden.

Aber nicht nur sind diese Faktoren miteinander verschränkt. Ich glaube auch, dass marginalisierte Gruppen – insbesondere queere Menschen – besonders vulnerabel für Gaslighting und Missbrauch sind. Als marginalisierte Gruppe werden wir oft genug von der Mehrheitsgesellschaft gegaslightet. Wir hören, dass unsere eigene Stigmatisierung “ja doch nicht so schlimm sei” oder dass wir “nicht so sensibel sein sollen”. Und als queere Menschen haben wir tragischerweise auch oft gelernt, dass Liebe bedingt ist. Eltern, die uns nicht wegen unserer Identität akzeptieren. Oder sogar Missbrauch im Elternhaus – getarnt als vermeintliche “Liebe”. All das macht uns verwundbarer für Missbrauchsbeziehungen.

Wir alle müssen Vorkehrungen treffen, um uns so gut wie möglich davor zu schützen. Durch die unermüdliche Arbeit von Psycholog*innen wie der Narzissmus-Expertin Dr. Ramani Durvasula, gehören dazu folgende Ratschläge19:

  1. Verstehe dich, deine Biografie und deine Vulnerabilitäten: Menschen mit gewissen Merkmalen und Geschichten sind anfälliger dafür, Opfer von Narzissmus zu werden. Dazu gehören: der Hang, andere Menschen „retten“ zu wollen; eine Biografie mit Traumata; ein Übermaß an Optimismus und Positivität (das macht es uns schwer, zu erkennen, dass Menschen mit toxischen Persönlichkeiten sich nicht ändern werden); andauernd allen alles zu vergeben; als Kind von einem narzisstischen oder toxischen Elternteil großgezogen worden zu sein; als Kind in einer überdurchschnittlich glücklichen Familie aufgewachsen zu sein (diese Kinder denken als Erwachsene oft, dass sie andere Menschen einfach nur genügend lieben müssen und finden es schwer zu glauben, dass es manipulative, grausame Menschen gibt); sowie ein Übermaß an Empathie. Empathie ist gut und wichtig. Diese Welt braucht dringend mehr Empathie. Wenn du ein übermäßig empathischer Mensch bist, kann dich das jedoch verwundbar für narzisstischen Missbrauch machen und du benötigst Strategien, damit dieser schöne Teil von dir nicht missbraucht wird und verwelkt.
  2. Radikale Akzeptanz: Dazu gehört zum Beispiel die Erkenntniss, dass Narzisst*innen und andere toxische Persönlichkeiten sich nicht dauerhaft und ausreichend ändern können. In der Persönlichkeitspsychologie spricht man hier von der sogenannten Gummiband-Theorie. Diese behauptet, dass unsere Persönlichkeiten wie Gummibänder sind und gestreckt werden können, zum Beispiel wenn Narzisst*innen ihre Beziehungen bedroht sehen. Sie könnten sogar in eine Therapie gehen und sich für einige Monate oder ein Jahr verbessern. Aber wenn klar ist, dass der*die Partner*in bleibt, und sobald Narzisst*innen Stress erleben, schnallt das Gummiband in seine ursprüngliche Form und das narzisstische Muster kehrt zurück. Lerne, loszulassen, anstatt immer wieder zu vergeben.
  3. Praktiziere Liebe zu dir selbst: Vertraue deinem Urteilsvermögen und deinen Emotionen. Wenn wir uns selbst lieben und schätzen, lassen wir Menschen, die uns chronisch entwerten, nicht zu nah an uns ran.
  4. Lass dir Zeit: Wenn du neue Menschen kennenlernst, besonders beim Daten, dann überstürze nichts. Gib dir Zeit, die andere Person über mehrere Wochen oder Monate kennen zu lernen, bevor du sie näher in dein Leben lässt. Beobachte deine Gefühle, vor allem Unwohlsein oder ein schlechtes Bauchgefühl, das du dir vielleicht noch nicht erklären kannst. Falle nicht auf Oberflächlichkeiten wie Aussehen, Reichtum, Erfolg, Intelligenz oder Bildung rein. Beobachte die Empathie und das Verhalten der anderen Person, vor allem problematisches Verhalten: Wenn etwas zum ersten Mal passiert, ist es ein Ausrutscher, beim zweiten Mal ist es ein Zufall und beim dritten Mal ist es ein Muster.
  5. Bau deine Firewall gegen toxisches Verhalten auf und schütze deine Grenzen: Dazu musst du erst einmal deine Grenzen kennen und verstehen. Wenn möglich, lasse von vornherein keine toxischen Menschen in dein Leben.
  6. Halte an deiner eigenen Realität fest: Wenn sich etwas entwertend oder entmenschlichend anfühlt, dann werfe einen langen, kritischen Blick darauf. Trete sanft zurück und nimm dir einen Moment Zeit, um mit dir selbst über deine Realität ins Reine zu kommen. Wenn Meinungsverschiedenheiten zu einem persönlichen Angriff ausarten, geht es nicht mehr darum, Meinungen zu teilen; das ist Missbrauch. Und das bedeutet, dass es Zeit ist, zu gehen. Das gilt besonders dann, wenn du Teil einer gesellschaftlich unterdrückten Gruppe bist, die von der dominanten Kultur mit Gaslighting behandelt wird:
    „Wenn es der Welt erlaubt ist, uns zu gaslighten, dann sind wir anfälliger für individuelles Gaslighting, und dann sind wir anfälliger dafür, Narzisst*innen in unser Leben und sie dort zu lassen. Rassismus, Sexismus, Klassismus, Heterosexismus, Behindertenfeindlichkeit, Altersdiskriminierung und alle anderen Ismen sind alles Formen von Gaslighting – die Realität anderer anzuzweifeln und zu diffamieren, sie an sich selbst zweifeln zu lassen und so an der Macht festzuhalten.“
    – Ramani Durvasula
  7. Mach Therapie: Falls du die Möglichkeit dazu hast, dann nutze sie.
  8. Erkenne und (wenn möglich) vermeide sogenannte „Enabler“ („Ermöglicher*innen“): Das sind die Menschen in deiner Umgebung, die der toxischen Person nachsichtig gegenüberstehen: Familie oder Freund*innen, die dich beschämen, wenn du der narzisstischen Person nicht verzeihst, eine Gesellschaft, die dir sagt, dass du deine Beziehung nicht beenden oder schlechtes Verhalten anprangern darfst, Menschen, die das, was du erlebst, herunterspielen oder auf abgedroschene Erklärungen wie „Du bist auch nicht perfekt“, „Sie meinen es nicht böse“, „Ich hatte nie Probleme mit ihnen“ oder „Sie haben ihr Bestes getan“ zurückgreifen. Deshalb auch:
  9. Baue enge Verbindungen zu mitfühlenden Menschen auf, die für dich ein Safer Space sind: Das ist besonders deswegen wichtig, weil Narzisst*innen oft versuchen, ihre Opfer zu isolieren. Meine Befreiung von Mike wäre ohne die Freundschaften, die ich hatte, ohne Romina, ohne die Freunde, bei denen ich untergekommen bin, ohne meine Eltern, ohne die vielen anderen Freund*innen, an die ich mich wenden konnte, die mich gestärkt, zugehört, und uneingeschränkt unterstützt haben, nicht möglich gewesen.
  10. Kümmere dich um deinen eigenen Garten: Wir können nicht die Welt retten. Sei nett zu anderen, übe dich in Höflichkeit, suche nicht nach Kämpfen, und versuche, die Perspektive anderer Menschen zu verstehen. Aber vertreibe die toxischen Verhaltensweisen, Situationen und Menschen aus deinem Leben – im Wesentlichen: jäte Unkraut in deinem Garten, sonst töten sie alles, was du anpflanzt. Und wenn du zweite Chancen gibst, dann gib sie den Menschen, die sie verdienen. Höre auf, sie an Narzisst*innen zu verschwenden.
  11. Manage sie wenn du nicht ganz aus ihrem Leben verschwinden kannst: Dazu gehören folgende Strategien:
  12. Höre auf, ihnen deine Gutherzigkeit zu schenken: Sei zuvorkommend und hilfsbereit, und zwar oft, aber mit Menschen, die es verdienen. Toxische Menschen können nicht gerettet werden, und es ist nicht deine Aufgabe, dies zu tun.
  13. Vermeide DEEP wenn Menschen mit dunklen Persönlichkeiten dich angreifen: do not Defend (verteidige dich nicht), do not Engage (steige nicht in eine Diskussion mit ihnen ein, teile nicht deine Gefühle mit ihnen), do not Explain (erkläre dich nicht), do not Personalize (nimm es nicht persönlich). Don’t feed the troll. Lass dich nicht auf den Kampf ein. Narzisst*innen haben kein filterndes Einfühlungsvermögen, also kannst du keine Diskussion gegen sie gewinnen. Vor allem: Sage ihnen nicht, dass sie narzisstisch sind (oder eine andere dunkle Persönlichkeit haben). Den Fehler hatte ich gemacht und es wird nicht funktionieren: Narzisst*innen haben in der Regel nicht genügend Selbstreflektion, um das zu erkennen und anderen dunkle Persönlichkeiten, wie Psychopath*innen, ist es schlichtweg oft egal.
  14. Grauer Stein und Gelber Stein: Mache dich so uninteressant wie ein grauer Stein. Weniger ist mehr: Halte die Kommunikation kurz, sparsam, spärlich und einfach. Bleibe bei „ja“, „nein“, „okay“ und „danke“ ohne viel Emotion. Manchmal ist dies jedoch nicht möglich. Bei der Gelben-Stein-Strategie bleibt man deswegen ebenfalls kurz, aber mischt etwas mehr emotionale Reaktion in das Gesagte rein oder macht die Sätze nur ein wenig länger.
  15. Gib ihnen, was sie wollen: Bestätige sie, lächele, misch dich nicht ein und verlasse die Situation dann so würdevoll wie möglich. Was auch immer es ist, bestätige es. Und dann verschwinde.
  16. Finde und halte an Sinn, Zweck, Humor, und Freude in deinem Leben fest: Emotionaler und psychischer Missbrauch saugen diese Qualitäten aus deinem Leben. Baue sie (zurück) in dein Leben ein und schütze sie. Sie sind dein Puffer gegen die Ungerechtigkeit.

„Die Heilung geschieht an dem Tag, an dem du erkennst, dass es hier nicht um Gerechtigkeit oder Fairness geht; es geht um Selbsterhaltung und Frieden. (…) Wenn du das Gefühl der Ungerechtigkeit loslassen kannst, wirst du von narzisstischem Missbrauch heilen. Das Leben ist nicht fair, und statt zu vergeben, lass einfach los (…). Das muss Gerechtigkeit genug sein.“20

Ramani Durvasula

Epilog: Emails aus der Vergangenheit

Illustration: Ein Mann sitzt an seinem Computer und liest eine Email, die von seinem Ex stammt. Daneben eine Gedankenwollte in der sich das Gesicht des wütenden Ex befindet. Über der Email steht "Red Flag".
Illustration: Krishan Rajapakshe / 2024 (krishanrajapakshe.blog)

Meine Eltern hatten Mike von Anfang an nicht vertraut und waren gegen die Partnerschaft. Mike wusste das. Trotzdem haben sie mich unterstützt. Weil sie das als ihren Job als Eltern ansahen. Als Mike zum ersten Mal bei meinen Eltern zu Besuch war, meinte meine Mutter zu ihm: „Ich bin eine Löwenmutter. Ich werde dich finden, wenn du meinem Sohn etwas antust.“

Sechs Jahre sind seit der Trennung vergangen. Fünf seit der Scheidung. Fünf Jahre ohne jeglichen Kontakt.

Ich habe eine Therapie gemacht, um das Erlebte zu verarbeiten. Aber auch um an den Gründen zu arbeiten, weswegen ich es zugelassen hatte, überhaupt erst eine Beziehung mit solch einem Menschen einzugehen. Noch immer kämpfe ich mit den finanziellen Folgen der Beziehung. Und mit der Trauer. Eine narzisstische Beziehung ist gleichzusetzen mit einem Verlust an Unschuld. Viele Überlebende narzisstischer Beziehungen berichten, dass diese traumatische Erfahrung eine Art Leichtigkeit im Leben zerstört hat, die Fähigkeit zu vertrauen, oder den Glauben an das Gute.

Aber in jeglicher anderen Hinsicht ging es seitdem bergauf. Ich habe einen langen Weg der Heilung hinter mir und einen vermutlich mindestens ebenso langen noch vor mir. Heilung ist ein Akt des Widerstands, der Auflehnung, der Rebellion. Es ist Teil meines aktivistischen Lebens. Dieser Artikel ist ein ebenso Teil davon. Ich war schon immer davon überzeugt, dass das Private politisch ist.

Romina und ich haben eine neue Wohnung in Berlin gefunden. Ich habe ein erfolgreiches Business aufgebaut, das mich mit Sinn erfüllt und Spaß macht. Ich habe alte Freundschaften vertieft und neue hinzugewonnen. Und wieder gelernt, Vertrauen aufzubauen, sowie Intimität und Nähe zuzulassen – mit einem Menschen, der meine Nähe verdient.

Bin ich wieder der gleiche Mensch wie vor der Beziehung zu Mike? Nein. Und das werde ich auch nie wieder sein. Eine solch traumatische Beziehung zu einem Gaslighter ändert dich – für immer. Es hat nicht nur meinen Blick auf die Menschheit und die Welt verändert, ich selbst bin auch anders. Nicht besser als vorher. Nicht schlechter. Einfach anders. Vor allem genieße ich die Zeit mit mir selbst viel mehr. Ich fühle mich ausgeglichen mit mir selbst. Ich habe die Beziehung zu mir selbst verbessert. Und ich kann sagen: Ich bin glücklich. Sehr sogar.

Doch vor Kurzem bekam ich einen Anruf von einer mir unbekannten Nummer: „Jeff?“ fragte eine Stimme. Ich hab sie nicht gleich erkannt. „Ja?“, antwortete ich. „Hier ist Mike.“

… Damit hatte ich, sechs Jahre nach der Trennung, gar nicht mehr gerechnet. Er fragte: „Können wir reden?“ Ich antwortete höflich: „Nein Danke, ich habe kein Interesse.“ Mike ignorierte das und versuchte trotzdem mehrmals, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Er würde gerne wieder Kontakt aufnehmen. So viel Zeit sei vergangen. Ich machte ihm wieder freundlich aber bestimmt deutlich, dass ich kein Interesse hätte. Und dann legte ich auf.

Kurze Zeit später erreichte mich eine E-Mail von Mike, in der Dinge standen wie:

„Durch meinen Egoismus habe ich dir und deinen Eltern wehgetan, und es war nicht meine Absicht, aber ich habe es geschehen lassen.“ – „Ich hoffe, du kannst mir in deinem Herzen dafür verzeihen, dass ich ein ARSCHLOCH war!“

Manche würden denken, das sei doch ein gutes Zeichen. Aber dann fiele man wieder auf Manipulationsversuche rein. Genauer gesagt: auf narzisstisches „Hoovern“.

Hoovern
Das englische Wort „to hoover“ heißt wortwörtlich „saugen“ bzw. „staubsaugen“. Es steht hier jedoch für das manipulative, charmante Umgarnen durch eine narzisstische Person, die versucht, sein Ziel wieder in die Beziehung einzusagen – eben wie ein Staubsauger.21 In Beziehungen geht es für sie um Kontrolle und Lieferung einer ständigen Versorgung ihrer narzisstischen Bedürfnisse. Solche Menschen hoovern, um diese Versorgung zurückzubekommen. Wenn jemand ohne sie glücklich ist, bedeutet das, dass sie diese Person nicht kontrollieren, und das Hoovern ist ein Versuch, diese Macht zurückzugewinnen.

Das Hoovern kann auch erst Jahre nach der eigentlichen Beziehung stattfinden. Wenn die Zielperson nicht auf das Hoovern reagiert, dann folgen auf das Hoovern oft wieder die üblichen narzisstischen Wutausbrüche.

Als keine Antwort von mir kam, folgte eine zweite Email, die sich von der ersten so sehr unterschied, als sei sie von einem anderen Stern. Es war ein regelrechtes Sammelsurium an Wahnvorstellungen, wie ich es selten erlebt hatte:

„Ich weigere mich, mich emotional und psychisch so von dir quälen zu lassen.“

„Deine Eltern wussten, dass du psychisch labil warst, und sie haben unsere Ehe unterstützt, in der Hoffnung, dass du durch mich psychisch stabil wirst! Sie haben mich benutzt, um dich glücklich zu machen und Gewissheit zu erlangen, dass es dir dadurch bessergehen soll!“

„Fakt ist: Ich liebe Noah nun mal! Ich dachte, ich könnte dich auch lieben, aber du bist psychisch krank!“

„Ich beende die Sache jetzt! Ich liebe dich nicht, ich liebe Noah!“

„Du und deine Eltern haben mich ausgenutzt!“

„Deutschland ist mein Zuhause! Berlin ist mein Zuhause! Ich werde nicht zulassen, dass du das zerstörst!“

„Lass mich und Noah in Ruhe!“

„Sollte ich weiterhin emotional von dir gequält werden, gehe ich zur Polizei und zu den Behörden, um ihnen zu erzählen, was ich durchgemacht habe, da du immer noch versuchst, mich dafür bezahlen zu lassen, dass du Probleme hast und dass ich nicht mit dir zusammen sein wollte!“

„Ich bin fertig mit dir, und uns!“

„Beste Grüße, Mike.“

Diese Email kam aus dem Nichts, fünf Jahre nach dem letzten Kontakt.

Narzisst*innen und andere toxische Menschen sind schnell dabei, jede Art von [tatsächlichen oder eingebildeten] Anschuldigungen gegen sie als „Hexenjagd“ zu bezeichnen, was sie selbst als Täter in ein Opfer umwandelt.22

Ramani Durvasula

Ich las die E-Mail. Ich hatte erwartet, dass sie mich triggern und aus der Bahn werfen würde. Zu meiner Überraschung hielt sich das dann doch sehr in Grenzen. Ich empfand eher eine Mischung aus Belustigung, Mitleid und Faszination. Belustigung über das Ausmaß der Wahnvorstellungen jenseits jeglicher Realität. Mitleid über seine tief sitzende, unreife, schmerzhafte Unsicherheit, sowie darüber, dass er nach sechs Jahren Trennung offensichtlich noch immer nicht diese narzisstische Kränkung des Verlassen Werdens loslassen konnte. Und Faszination darüber, wie weit die Wahnvorstellungen gingen und dass er keine Hemmungen hatte, mir das zu schreiben, obwohl ihm doch irgendwo bewusst sein müsste, dass ich es besser weiß. Aber sein Gaslighting funktionierte nicht mehr. Das tat es seit sechs Jahren nicht mehr. Irgendwas löste die E-Mail dann doch in mir aus: Ich ließ noch einmal los. Durch die E-Mail merkte ich, dass das ganze Trauma sich mittlerweile eher wie ein weit entfernter, schlechter Traum anfühlte, den ich im Alltag immer mehr zu vergessen schien. Ich hatte inneren Frieden erlangt. Es ging mir nicht mehr um Gerechtigkeit, es ging mir um Frieden. Ich hatte losgelassen. Und das war der wahre Schritt hin zur Heilung.


Hilfe bei häuslicher Gewalt
Hilfetelefon für Männer, die Opfer von Gewalt werden: 0800 123 99 00
Die Sprechzeiten sind Montag bis Donnerstag von 8 bis 20 Uhr und am Freitag von 8 bis 15 Uhr.

Zusätzlich gibt es auch einen Online-Chat: https://onlineberatung.maennerhilfetelefon.de/
Dieser ist zu folgenden Zeiten erreichbar: Montag bis Donnerstag zwischen 12 und 15 Uhr sowie 17 bis 19 Uhr.

Infos zu Männerschutzwohnungen findest du hier.
Weitere Hilfe
Hast du dunkle Gedanken? Wenn es dir nicht gut geht, du dich selbst verletzt, oder du daran denkst, dir das Leben zu nehmen, dann ist die Telefonseelsorge für dich da. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen finden Sie unter: www.telefonseelsorge.de

Und nicht zuletzt gibt es für schwule, bi+ und queere Männer (egal ob trans oder cis) auch den Gay Health Chat. Dort kannst du anonym mit professionellen Menschen aus der Community über deine Probleme chatten und dich beraten lassen: www.gayhealthchat.de
Weiterführende Infos
Andreas Robertz (2020): Was Rassismus mit Narzissmus zu tun hat, Deutschlandfunk.

Andreas Robertz (2020): Warum es gefährlich ist, Donald Trump zu verzeihen, Deutschlandfunk.

Morten Moshagen, Benjamin E. Hilbig, Ingo Zettler (2018): The Dark Factor of Personality, darkfactor.org.

Ramani Durvasula (2017): Should I Stay or Should I Go? – Surviving a Relationship with a Narcissist, Post Hill Press.

Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press.

Ramani Durvasula (2019): Narcissism and Its Discontents, TEDxSedona Vortrag.

Ramani Durvasula (2020): So diskutierst du mit Narzissten, vice.com.

Ramani Durvasula (2024): It’s Not You – How to Identify and Heal from Narcissistic People, Penguin.

Robin Stern (2017): Der Gaslight-Effekt – Wie Sie versteckte emotionale Manipulation erkennen und abwenden, KomplettMedia.

YouTube-Kanal von Dr. Ramani Durvasula.
Quellenangaben
  1. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 50ff.
  2. Vgl. Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 30f.
  3. Vgl. Robin Stern (2018): The Gaslight Effect – How to Spot and Survive the Hidden Manipulation Others Use to Control Your Life, Harmony Books, S. XIX.
  4. übers. aus dem Engl.: Robin Stern (2018): The Gaslight Effect – How to Spot and Survive the Hidden Manipulation Others Use to Control Your Life, Harmony Books, S. XXIV.
  5. übers. aus dem Engl.: Robin Stern (2018): The Gaslight Effect – How to Spot and Survive the Hidden Manipulation Others Use to Control Your Life, Harmony Books, S. 14.
  6. Vgl. Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 5ff.
  7. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): Narcissism and Its Discontents, TEDxSedona Vortrag.
  8. Vgl. Heiner Thorborg (2015): Psychopathen in der Chefetage – Zeitbomben mit Schlips, Spiegel.
  9. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2021): When narcissists know YOU know…, YouTube.
  10. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 324.
  11. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 8ff.
  12. Vgl. Morten Moshagen, Benjamin E. Hilbig, Ingo Zettler (2018): What is D?, darkfactor.org
  13. Vgl. Marion Spengler et al. (2015): Student characteristics and behaviors at age 12 predict occupational success 40 years later over and above childhood IQ and parental socioeconomic status, Journal of Personality and Social Psychology 51 (9), S. 1329-1340.
  14. übers. aus dem Engl.: Douglas Rushkoff (2022): Survival of the Richest – Escape Fantasies of the Tech Billionaires, Norton, S. 34.
  15. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 120.
  16. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 125.
  17. Vgl. Douglas Rushkoff (2022): Survival of the Richest – Escape Fantasies of the Tech Billionaires, Norton, S. 3.
  18. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 301.
  19. Vgl. Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, sowie: Ramani Durvasula (2024): It’s Not You – How to Identify and Heal from Narcissistic People, Penguin.
  20. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 341f.
  21. Vgl. Ramani Durvasula (2024): It’s Not You – How to Identify and Heal from Narcissistic People, Penguin, S. 71 & 229.
  22. übers. aus dem Engl.: Ramani Durvasula (2019): „Don’t You Know Who I Am?“ – How to Stay Sane in an Era of Narcissism, Entitlement, and Incivility, Post Hill Press, S. 57.